Anywhen – The Opiates
Es ist eine Art Etikettenschwindel: Das zweite Album der Schweden Anywhen verweist bloß noch in der Überschrift auf das 1997 erschienene Debüt – dort gab’s Powerpop, vollmundig und prätentiös zwischen Indie-Versatz und 80er-Jahre-Verweis, hier gibt’s musikalische Introversion fast ohne jedes Bandkorsett. Es hat wohl Schwierigkeiten gegeben – von zwischenmenschlichen Veränderungen ist die vorsichtige Rede, von unterschiedlichen Prioritäten, schließlich von Soziopathie und Menschenangst des Vorstehers Thomas Feiner. Der macht sich seine Musik nun weitestgehend ohne die Bandkumpane und vertraut statt dessen auf die Hilfe des Warschauer Sinfonieorchesters, das „The Opiates“ zu einem opulenten Produktionsdesign verhilft.
Das Problem mit dem Außen ist in jeder Hinsicht Feiners Thema: In schwebenden Liedern bedenkt der Sänger, Maler und Multiinstrumentalist die eigene Isolation und flieht sich in eine anmutige Ästhetik aus Traumbildern und Klangkatharsis. Mal brummelt es zu spröden Gitarren wie bei Cave und Waits, mal begreift Feiner im Geigenmeer das Unsagbare mit dem tragischen Falsett der jungen Wilden – es steckt tatsächlich ein Funke Genie in diesem Menschen, ein Leidensdruck wohl, der die Kunst herauspresst und dem ehrgeizigen Werk einige Größe verleiht. Das gelingt aber nicht immer; ins eigene Selbst gekauert, begnügt sich Feiner allzu oft mit halben Ideen und durchsichtiger Schwärmerei, denen ein Korrektiv vermutlich gut getan hätte. Was bleibt, ist Feiners manchmal überwältigender Wille zur Schönheit, zur ungeniert schwelgerischen Weite, die man als den letzten Verweis auf seine musikalische Herkunft werten mag. Der große Pop-Versuch des Anywhen-Erstlings empfiehlt sich auf „The Opiates“ mit Melodien und Hooks, die sich trotz des eigenwilligen Klangapparats schnell verständlich machen. Wenn allerdings Feiner den nun eingeschlagenen Weg konsequent fortsetzt, wird wohl auch dieser Zugang bald versperrt sein.