Oasis – Familiar To Millions
Der Backlash kam für britische Verhältnisse spät, setzte dann aber mit umso größerer Wucht ein. Die Heimstatt Creation Records zerbröselte, die „Giants“-LP wurde von der Kritik unter Wert zerpflückt, Noel machte sich inmitten der Welt-Tournee aus dem Staub, Meg verließ Noel, Patsy ihren Liam, und vor lauter Hiobsmeldungen aus dem eigenen Lager, unter der Last unzähliger Kübel voller Hohn und Häme, die wendehalsige Medien über ihnen ausschütteten, wurden am Ende gar die Gallaghers, wer hätte das je für möglich gehalten, kleinlaut.
Noel trat demütig vor Mikrofone und relativierte den Status von Oasis bis an die Schmerzgrenze. Nein, gab er reumütig kund, er sei nicht mehr der Meinung, seine Band sei die beste und wichtigste seit den Beatles. Er sehe das inzwischen realistischer: Musikhistorisch spielten die Beatles und Stones in der Champions League, The Who und The Jam im UEFA-Cup, während Oasis sich erst mal in der Premier League durchsetzen müssen. Holy Wonderwall.
Ungesund viel Kreide gefressen in letzter Zeit, der Mann. Ich meine, wie viele Bands können ein Live-Album „Familiar To Millions“ nennen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben oder Abba Revival Band zu heißen? Eben. Wie keine andere Band der 90er Jahre können die Ex-Maulhelden aus Manchester auf eine Songsammlung und eine Klangidentität rekurrieren, die nicht nur massenhaft konsumiert und kopiert wurden, sondern Kontroversen auslöste und Leidenschaften weckte.
Das Timing allerdings ist schon diskutabel. Ein Live-Album zu veröffentlichen, während das Standing bröckelt, ist so clever wie der Börsengang eines Fußballclubs im Formtief. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Live-Platten seit Jahren generell schlecht gehen Dessen ungeachtet ist „Familiar To Millions“ eine prächtige Werkschau, ein bemerkenswert stimmiges Tondokument und für die Fans, die dabei waren, ein prima Souvenir. Mit Gänsehautgarantie. Der Adrenalinkick „Live Forever“ allein ist mit Geld nicht aufzuwiegen. „Hello Manchester“, begrüßt Noel Wembley. Hello &g oodbye? Hope not.
