Short cuts
Willie Nelson – Milk Cow Blues (Mercury)
Sein Instrumental-Swing-Album „Night/And Day“ ist kaum drei Monate alt, eine LP mit neuen eigenen Songs angeblich fertig und ein von Don Was produziertes Reggae-AIbum zieht seit Jahren Warteschleifen, da schiebt Wiltie zwischendurch mal eben eine veritable Blues-Scheibe in den Ofen. Texas Cooking? Nein, eher Mikrowelle, leider. Obschon sich die aufgebotenen Stargäste für das Privileg, mit dem Meister musizieren zu dürfen, ordentlich ins Zeug legen. Dr. John duettiert sich mit dem ewigen Oudaw ergötzlich auf Charles Browns „Black Night“, Jimmie Vaughans dornige Gitarren-Interpunktion macht dem etwas bequem angelegten Shuffle von „Kansas City“ doch noch Beine, und Susan Tedeschi singt „Crazy“, als ob sie es wäre. Nur Wülie selbst ruft kaum Reserven ab. Blues, so souverän wie sittsam, 3,0
Todd Thibaud – Squash (Blue Rose/Zomba)
Der gute Todd Thibaud ist ein Americana-Arbeiter, ein Mann, der sich in Song-Statik auskennt und sich Fähigkeiten in Feilen und Drechseln angeeignet hat, der aber auch beherzt mit einer Axt umzugehen weiß. Entsprechend grob-gediegen sind seine Platten: ohne Ausreißer; weder nach oben ooeh nach unten. Die Balladen, allen voran „Unbroken“, schmecken bittersüß, die Kracher wie „Uninvited, Overdue“ oder „Dragging Me Down“ drücken zünftig. „I’m going nowhere“, singt Thibaud am Ende, „it’s no surprise at all.“ Verkürzt angenehm das Warten auf Tom Pettys nächstes Werk. 3,0
Mary Coughlan – Sings Billie Holiday (Evangeline/Edel Contraire)
Ein verdammt mutiges Unterfangen. Wie „Elvis Costello sings Frank Sinatra“ oder „Oasis play Lennon/McCartney“. Die Coughlan ist sich dessen freilich wohl bewusst und unternimmt erst gar nicht den Versuch, das Timbre von Lady Day zu treffen oder ihre Manierismen abzukupfern. Stattdessen nähert sich die Irin den Jazz-Klassikern auf ihre eigene bodenständige, gänzlich unprätenziöse Weise. In den offenherzigen Linernotes stellt sie ihr Leben zwar neben das der Holiday, vergleicht Siege und Niederlagen, konkludiert indes: „Unlike Billie Holiday I am alive at 44. I have not had a drink in over five years and feel certain that I will not drink again.“ 3,5
Tim Finn – Say It Is So (Hypertension)
Melodisch gewohnt starker Pop vom Crowded House-Bewohner inventiv arrangiert und mäßig modern produziert. „Need To Be Right“ ist der beste U2-Track seit „Pride“, „Big Wave Rider“ kreuzt Rock mit computergenerierten Geräuschen, nun ja. Gegen Ende tönt Finn sehr pessimistisch: „The death of a populär song/ Goin on/ Everyday…“3,0
Add N To(X)- Add Insult To Injury (Mute)
Den Bandnamen verdankt das Londoner Elektronik-Beat-Trio einem Computerhandbuch der 80er Jahre. Ihre Musik zwischen Sequenzer-Punk und himlastigem Noise-Sortiment wohl ebenfalls. Bemüht interessant, sehr anstrengend. Aber mit Soft-Porno-Parodie auf Video. 2,0
The Solarflares – That Was Then…And So Is This (Twist/Zomba)
Die schöne Selbstironie des LP-Titels können sich die Solarflares locker leisten. Seit die Barracudas das Handtuch warfen, hat keine Sixties-beseelte Band mehr ein solch stupendes Energie-Level bei absoluter Songstimmigkeit erreicht. Pop, Punk und Psychedelia britischer Prägung, primär inspiriert von den Small Faces, The Creation und The Who, aber mit genug spezifischem Gewicht ausgestattet, um die Vorbilder vergessen zu machen, solange die LP rotiert. 4,0
Helicopter Girl – How To Steal The World (Instant Karma/Sony)
Sie sei „eine Mischung aus dreierlei: Rap, Soul und Dance“, kokettiert die Schottin Jackie Joyce aka Heiicopter Girl, wohl wissend, dass diese Genres auf ihrem Debüt-Album nur in Spuren vorkommen. Im Kern verkostet sie Pop, strukturell den 80er, soundtechnisch den 90er Jahren verpflichtet. Und doch originell, dank einer Stimme, die irritiert und fasziniert. 2,5
Keith Sweat – Didn’t See Me Coming (Eastwest)
Schlafzimmer-Soul, pflegeleichter R &B und weich abgefederte Beats vom Crooner aus New York City, der damit seinem Ruf als Lionel Richie des HipHop erneut gerecht wird. 2,0
Lionel Richie – Renaissance (Mercury)
Das Original setzt derweil auf elektronisch generierte Disco-Schmiere.1,0
The Moody Blues – Hall Of Fame (Motor Music)
Nichts setzt so schnell Patina an wie das Progressive: Die fossilen Rock-Symphoniker schlagen live in der Royal Albert Hall Schaumkronen auf ihre größten Hits. 32,0
Michael McDonald – Blue Obsession (Castle/Edel Contraire)
Comeback-Album des Doobie-Brothers-Shouters: Soul ohne Seele, Rock ohne Roll Marvin Gayes „Ain’t That Peculiar“ hat man selten so anämisch, Neil Youngs „Down By The River“ noch nie so verkalkt gehört. 1,5
Doobie Brothers – Siblinq Rivalry (Eagle/Edel Contraire)
McDonalds alte Mitstreiter mit verlässlichem Kumpelrock auf ihrer ersten LP seit immerhin zehn Jahren. Viel geändert hat sich seither nicht, außer dass die Songs noch etwas banaler und die Musik noch einen Tick profaner geworden ist. „The Doobie Brothers really want to thank the Doobie Brothers Fan Club“, steht auf dem Insert.Right on 1,5
Molly Hatchet – Kingdom Of XII (SPV)
Noch eine Heimsuchung aus den Südstaaten der Siebziger. Grollende Gitarrengewitter und gutturales Grunzen, Haare wie Heuhaufen und Texte, die vor Patriotismus strotzen. Hässlich? No kidding. Das dumpfe Cover von „Tumbling Dice“ ist Prügelstrafe. 1,0