Frankie Goes To Hollywood – Welcome To The Pleasuredome
Eine seiner ernsthafteren Erkenntnisse formulierte Oscar Wilde mit der Behauptung: „Natürlich sein ist eine Pose, die sich schwer durchhalten lässt“ Was ein Liverpooler Quintett, das sich 1980 unter dem provokant geschmacklosen Namen Hollycaust formierte, dann aber – schon witziger – in Frankie Goes To Hollywood umbenannte, von Anfang an beherzigte. Natürlich war an den Auftritten von Holly Johnson, Paul Rutherford und Kollegen nichts, einstudierte Posen alles. Anders als bei den Village People einige Jahre zuvor handelte es sich zwar nicht um eine Band, die ein Produzent quasi aus der Retorte geschaffen hatte. Aber ohne den Produzenten Trevor Horn, ohne die demonstrativ zur Schau gestellte Homoerotik und eine clevere PR-Maschinerie wäre Frankie Goes To Hollywood niemals die Disco-Sensation der Jahre 1984 und 85 geworden.
Von Beginn an verkaufte der ehemalige Musikjournalist Paul Morley die Gruppe als ein komplett artifizielles Phänomen, das die kluge Susan Sontag in ihrem berühmten Essay von 1964 als „vorsätzliches Camp“ bezeichnet hatte. Morley kannte natürlich Soul-Vokabular wie „Sock it to me!“, Holly Johnson auch. Darum reimte der für die Debüt-Single „Relax“ noch relativ züchtig: „Relax don’t do it/ Relax when you wanna sock it to it.“ Es war Morleys Einfall, das umzuformulieren in „…when you wanna suck it, do it!“ Was in seiner Unzweideutigkeit ja phantasieloser war als alles von Jerry Lee Lewis‚ „Great Balls Of Fire“ bis Led Zeppelins „Lemon Song“ und einem Otis Redding gewiss nie öffentlich über die Lippen gekommen wäre. Aber als PR-Gag sorgte das umgehend für den Eklat, der den Erfolg der Single noch potenzierte. Und das weltweit bis auf die USA, wo „Relax“ floppte.
Aber dann kam Island-Chef Chris Blackwell auf die Idee, dass Trevor Horn nach einem eher langweiligen und mit 21 Minuten entschieden überlangen „Sex Mix“ für den US-Markt einen zweiten Remix produzieren sollte. Mit dieser Version kamen FGTH denn dort auch zum ersten und einzigen Male in die Top Ten. Regisseur Brian de Palma hielt den Song für so (kon)genial passend, dass er ihn umgehend in sein in der Porno-Industrie von L.A. spielendes Hitchcock-Plagiat „Body Double“ einbaute. Visuell um einiges phantasievoller waren allemal die Godley & Creme-Videos von FGTH-Hits.
Der Erfolg von „Relax“ – genau genommen Liedgut der schlichteren, dafür eingängigen Art – basierte zum einen auf Johnsons ekstatischem Gesang und einiges mehr noch auf der bombastisch-effektvollen Produktion von Horn. Weit komplexer noch waren die von „Two Tribes“ und „War“. Aber am meisten bewunderten Produzentenkollegen damals – manche neidlos, andere neidisch – die von „Welcome To The Pleasuredome“, die mit ihren Fairlight-Orgien viele spätere Techno-Ware geistlos bis stumpfsinnig aussehen lässt. Wiewohl das Frankie damals auch vorgehalten worden war.
Auch für die Cover-Versionen von Gerry And The Pacemakers-, Dionne Warwick- und Bruce Springsteen-Songs fielen Horn ein paar originellere Ideen in Sachen Arrangement und Produktion ein. Beim Folge-Album Liverpool“ (1,5) plagiierte er sich mehr oder minder nur noch selber. Das Songmaterial hier war weithin so schwach, dass er nurmehr ratlos in die bewährte Trickkiste greifen mochte. Selbst „Rage Hard“ war da eigendich nur noch Aufguss.Unter den Bonus-Tracks der Remaster-Ausgabe lässt die Cover-Version von „Suffragette City“ den Drive des Originals leider fast ganz vermissen.
Beim Sampler „Bang-The Greatest Hits“(3,0), einer ohnehin unnützen und grotesken Veranstaltung, fehlt ausgerechnet der besagte „N. Y. Mix“ von „Relax“. Der wiederum ist die beste Aufnahme auf „Reload – The Whole 12 Inches“ (2,5), das die damalige Maxi-Mania bediente. Das richtige Format für die drohenden Disco-Vehikel, die zwar beliebig aufblasbar waren, aber niemals stärker wurden, nur breiter. Beide Sammlungen können in keiner Weise das Debüt-Doppelalbum ersetzen, von dem Eroc jetzt die definitive Remaster-Version neu überspielte. Allein, doppelt ist es nicht mehr.