Udo Lindenberg :: Das Beste mit und ohne Hut
Die Hammerhits bis 1982 - darauf einen ganz kleinen Kasten Wodka
Das Licht in der „Atlantik-Bar“ wird heraufgedimmt. Zwei Männer setzen sich auf die Barhocker in der Ecke. Einer hat den Hut in die Stirn gezogen, wackelt mit der Kopfhaut und zieht eine Schnute.) Hallöchen, hallo. Ey, Barkeeper, mach noch mal die Theke auf, ich hab Durst. Nö, du, das stimmt gar nicht, dass ich nur noch Bier und/oder Wein serviert bekomme, glaub das mal nich, Alter. 20 000 Mark im Monat? Das glaubste ja wohl nich. Gut, manchmal schmeiß ich ne Runde für Freunde, und wenn ich von der Piste komm, da schwankt die Linde auch mal. Immer flexibel bleiben, Mann. Aber jetzt nur noch Lindenblütentee, höhö. (Kellner schenkt ein) Was sagste? Seit Jahren nur noch Dreck produziert? Du kriegst gleich eine mit der Kelle, wa. Traurig, dass du das so siehst. Schau dir mal die jungen Hüpfer an, mit denen sing ich ja nich nur, mit denen geh ich auch mal zur Expo oder was weiß ich, wie der Ernst August, bloß schiff ich nich überall hin. Klar mach ich jetzt viel mit Streichern, jawoll. Und dann sing ich beim Lippe, den kenn ich noch von früher, und da trag ich halt diesen Bratenrock und den Hut und die Sonnenbrille, denn Lindi hat auch nicht mehr die Figur von damals, klaro. Aber Dreck, das trifft: mich jetzt Mann, tu doch mal diese Scheibe rein. (Zieht eine CD heraus. Andrea Doria“ ertönt mit Tröten, Kellner schenkt nach) Das Beste, verstehste? Sicher, endet schon 1982, die Teldec-Jahre, da is „Pankow“ nicht mehr drauf und auch nicht „Horizont“, aber was willste, ich hatte später halt auch noch Hits, dudeldu. (Zum Kellner) Schieb mal ne Flasche rüber, die 2cl zu 17 Mark sind ja für nen Lindenzwerg. Nee, das war schon gut, Jonny Controlletti“ und so, „Mädchen aus Ost-Berlin“, astrein, und passte genau in die Stimmung. „Wozu sind Kriege da“, da hab ich die Friedensbewegung erfunden, und das Mädchen sang allerliebst, das war halt die Zeit, Honi dann ja auch. Sogar „Baltimore“ von Randy Newman habe ich eingedeutscht, also der Königstein, da sang ich immer „Oh, Bolldimooor“, weil die Stadt, die ging bald unter. Steht aber immer noch in Amiland. Vielleicht haben wir das auch nich richtig übersetzt (Kellner stellt noch eine Flasche auf den Tresen) Aber es waren die Siebziger, da gabs immer n Boogie-Woogie-Piano und n Klimperklavier, und ein Song hieß „Boogie Woogie Mädchen“. Und Hits hießen Hammerhits. Eigentlich ne schöne Zeit, aber die Linde wird auch nicht jünger, Cheerio. Einerseits wollen alle immer dasselbe, andererseits musste dich immer neu erfinden, sach ich mal, verstehste? Wie, „Säufermond“ soll autobiografisch sein? Weißte, das sind immer so Schubladen. Das hab ich mal geschrieben, aber das is immer auch Poesie. Klar, die Herzkasper waren nicht lustig, aber die Ärzte haben früher schon gesagt, Udo, du hast ein besonderes Herz, das is größer als normal. Nee, mit dem Alkohol hat das nix zu tun. Pass mal auf, wer bist du eigentlich? Willst hier auf meine Rechnung bechern, was? Ich bin ne Person der Zeitgeschichte, aber hallo, und jetzt macht die Person n Heierchen. Schreib das auf. Nacht.
(Die Schnute schwankt zum Aufzug. Der Kellner hört noch „Kugel im Colt“, dann schaltet er das Licht aus. Es ist fünf Uhr. Er greift seinen Mantel und nimmt, nach kurzem Zögern, die CD,, Udo Lindenberg -Das Beste mit und ohne Hut“ mit. Über der Alster dämmert es.)