Jaw – No Blue Peril
Ein novemberlicher Sommertag, wenig geschlafen, sportlich tiefe Ringe unter den Augen – die CD, die man in solchen Momenten am allerwenigsten braucht, heißt „No Blue Peril“ und stammt von Jaw. Es beginnt mit hektischem, blechernem Stakkato-Big-Beat der sich wohl den bedauernswerten Chemical Brothers verdankt. Schon das zweite Stück, „Alec Is Amused“, demonstriert eindrucksvoll die Fähigkeit Pascal Finkenauers, sich mittels Stimme wie eine bösartige Migräne-Attacke quälend langsam durch das Gehirn zu schrauben. Auch wenn diese Single zumindest in Waver-Kreisen ein gewisses Tanzflächen-Potenzial nach dem roboterhaften Muster von „Games Without Frontiers“ hat, wird man den Eindruck nicht los, dass die Bayer-Werke Jaws Plattenvertrag als Cross-Promotion für Aspirin angeleiert haben.
Abgesehen von den verheerenden Effekten auf das zentrale Nervensystem kann man den drei Zwanzigjährigen aus Lüneburg nicht absprechen, dass sie ein gewisses Gespür für Song-Dramaturgie haben und sehr offen für stilistische Gratwanderungen zwischen Techno, Prog Rock und Grunge sind. Und wenn Finkenauers Gesang nicht ständig pathetische Jammertäler im Stile eines depressiven Eddie Vedder durchschreitet, legen sich bei Stücken wie dem melancholischen „Two Poems“ oder vor allem der satten Uptempo-Nummer „Ride The Wave“ die allergischen Reaktionen auch allmählich. Insgesamt ist „No Blue Peril“ aber viel zu verkopft, klingt stellenweise billig produziert und wirkt so überladen, als ob „Track-Konstrukteur“ Sebastan Steffens mit aller Macht allen Bands, die er jemals gut fand, huldigen muss. Aber es ist ja auch noch nicht so lange her, dass er und sein Sänger sich bei einem Musik-Kurs während der Schulprojektwoche kennengelernt haben. Die Übungseinheit muss verlängert werden.