Gene :: Rising For Sunset
Ein Kulturschock. Gene, die britischste Briten-Band überhaupt, spielt im Land der Banausen. „Rising For Sunset“ live in Los Angeles. Sonnenuntergang, Sonnenaufgang, einerlei. Ein Auto. Ampeln. Straßenlaternen. Gene als Gastarbeiter-Eagles auf feindlichem Terrain. Sie müssen verrückt geworden sein. Es ist sozusagen erst ein paar Tage her – Anfang Juni war es, als der Sündenfall im „Troubadour“ stattfand. Das ist ganz genau in Hollywood. Ein Foto zeigt: Studentinnen, Asiaten, Schwarze. Vermutlich waren sämtliche wimps aus ganz Kalifornien im Bus herbeigekarrt worden, auf dass der kleine Keller einigermaßen voll aussehe.
Leider, leider könnten Gene heute auch in der Nussschale auftreten, es wäre geräumig genug. Aber es gibt sie noch. Sie waren immer die Lieblingsband der Verlierer, der Marginalisierten, der Verlorenen. Vom Britpop nicht profitiert, von der Presse nur geduldet vom Publikum ignoriert. Drei feine Alben lang gar nicht erst versucht, in Morrisseys Dreimeilenstiefel zu treten. Gebarmt, gelitten, gejammert „So sorry to be trouble/ But this room is like a gaol/ In the arms of love all fail/ Won’t you please stay here I’m scared“,
sang Martin Rossiter zu Steve Masons noblem Gitarrenspiel in ihrem schönsten Song, „Save Me, I’m Yours“. Das Königreich der Weicheier.
How the mighty have fallen. Was machen diese Männer, die ihre Tage in Pubs vergeuden und in alten Theatern über die vergangene Glorie Britanniens nachdenken, in Los Angeles? Rossiter sinnierte mal so lange über dem Titel „Road Rage“, bis Catatonia einen Hit gleichen Titels hatten. Und warum nur machen sie ein Live-Album, obwohl schon eine normale Platte von Gene Kassengift ist? Warum ruft Rossiter nach einer Darbietung zackig „Thank you!“ wie der gemeine Stadion-Rocker? Lobt gar anbiedernd „You’re good people“? Rossiters Kollegen an den Instrumenten rocken bestmöglich, der gemietete Organist pumpt dazwischen, man gibt „Where Are They Now?“, „Speak To Me Someone“ und „The British Disease“. Rossiter singt ausgerechnet und unironisch „London, Can You Wart?“. Das Klavier in „As Good As It Gets“ klingt schon nach Springsteen.
Auf der letzten Seite im Booklet ragt ein Schild der „Bank of America“ in den blauen, wolkenlosen Himmel. Ach, es war alles nur fürs Geld? Nächstes Jahr spielt man bei Festivals? Dann ist ja gut.