Warren Zevon – Life’ll Kill Ya :: Giftig und wehmütig: Der alte Sarkastiker wieder in großer Form

Nein, mit ihm war kaum noch zu rechnen. Wehmütig registrierte man, dass sein frühes, damals schon von Linda Ronstadt gecovertes „Poor Poor Pitiful Me“ vor vier Jahren noch einmal zum späten Mainstream-Country-Hit fiir lern Clark avancierte. Vermutlich eine der bizarrsten Fußnoten der jüngeren Pop-Historie; immerhin karikiert er hier einen Deppen, der nicht mal sich selbst unter die Erde bringt (weil der Zug, der Scharfrichter spielen soll, längst nicht mehr verkehrt). Mit diesem Format und Alben wie „Excitable Boy“ (1978) machte Warren Zevon einst Randy Newman den Thron des zynischsten Songschmieds der westlichen Welt streitig. Doch in den 80er und 90er Jahren war der Stravinsky-Schüler aus Chicago oft nur auf einer Liste ganz oben notiert – auf der mit den Musikern, die es wohl nicht ins Jahr 2000 schaffen werden. Gleich hinter David Crosby.

Dass Crosby „I Was In The House When The House Burned Down“, den Eröffnungssong von Zevons Comeback nach sechs Jahren, für sein eigenes Repertoire abgelehnt haben soll, ist in diesem Zusammenhang, nun: pikant. Gewohnt gallig geht es also auf „Life’ll Kill Ya“ zur Sache, in kleiner Trio-Besetzung mit dem alten Kumpel Jorge Calderön und Ex-Dylan-Drummer Winston Watson. Zuweilen greift Zevon auch solo zur Akustischen, und dann klingt es fast, als wäre Bruce Springsteen (mit dem zusammen er einst Jeanie Needs A Shooter“ schrieb) noch mal gen Nebraska aufgebrochen. „I can saw a woman in two, but you won’t want to look in the box when I do“, ätzt Zevon mit weltmüder Verschlagenheit in „For My Next Trick I’ll Need A Volunteer“ (Gitarren-Gast: Chuck Prophet), wohl wissend, dass wir nur zu gern freiwillig hinabschauen wollen in existenzielle

Abgründe (solange es nicht die eigenen sind). Ja, Humor und Sarkasmus sind intakt, immer noch tief schwarz, bitter, eloquent, und sie treffen Elvis („Porcelain Monkey“) genauso wie die Kreuzzüge („Ourselves To Know“) und jene „Dirty Lirde Religion“, in der die „fundamentals of desire“ die Bibel ersetzen. Doch dahinter schillert sein aufs Wesentliche konzentrierter Folk(-Rock) auch überraschend verletzlich, in „Fistful Of Rain“, im leise verzweifelten Akustik-Gebet „Don’t Let Us Get Sick“, auch in einem elegischen Cover von Steve Winwoods „Back In The High Life Again“. Und „Hostage-O“ ist wohl das traurigste Stück über S&M bisher, frei von voyeuristischem Impetus wie moralischer Keule, wenn Warren Zevon wiederholt singt: „You can treat me like a dog, if you make me feel what others feel.“ So texten nicht Hundeliebhaber, sondern wahre Menschenfreunde.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates