Drucksachen
-h3h3>(VIKING, CA. 60 MARK)
Der Untertitel schmeckt nach Gravität und letzter Ölung: „The Adventures Of John Lee Hooker In The American Twentieth Century“. Doch ein Grabgesang ist dieses Buch mitnichten. Charles Shaar Murray weiß um die Fallstricke monographischer Hudelei, meidet Heiligsprechung und misstraut Hofberichten. Statt dessen spürt er Widersprüchen nach, betreibt Ursachenforschung und achtet allzeit darauf, dass Hookers musikalischer wie privater Lebensweg vor dem Hintergrund historischer Prozesse begreifbar wird. Eingebettet in die Evolution schwarzer Popmusik vom Delta via Chicago und London bis in die entlegensten Winkel der Welt, ist Hookers Rolle einem steten Wandel unterzogen. Mal ist er Getriebener, mal Handelnder. Und vorübergehend, in den Siebzigern, nurmehr Handlungsreisender. Eines langen Lebens Reise in die Nacht Und wieder, unverhofft, ans Licht Murrays Prosa ist eher britisch-distinguiert, und doch sind Hookers Hochs und Tiefs stets nachfühlbar. Exemplarisch auch, wie die Renaissance des Rhythm 8C Blues im Sixties-England abstrahlt auf die Pioniergeneration von Hooker, Wolf oder Waters. Murray, in den Mitt-Siebzigern neben Nick Kent, Mick Farren und Ian McDonald Pfeiler des JNME“ und heute Mitarbeiter von „Mojo“, leistet sich den schönen Luxus einer umfassenden Recherche. Acht Jahre investierte er in seine Studien, befragte Zeitgenossen des musikalisch nur scheinbar stoischen und durchaus freigeistigen Bluesmannes, Kollegen, Fans, Freunde, Verwandte und nicht zuletzt Hooker selbst Diese Interviews streut Murray in die mehr als 500 Seiten umfassende Chronologie der Ereignisse ein. Urteile sind fundiert, weil belegt, Zweifel als solche kenntlich gemacht Ein konservativer, ja antiker Ansatz in einer Zeit, in der Bios am Laufband produziert werden, und ein Heer selbsternannter Musikjournalisten der Lebenslüge aufsitzt, das Vermengen von Waschzetteln der Plattenfirmen mit Halbwissen aus dem Internet und ein bisschen Attitüde reiche hin, um sich über Musik auszulassen. So gesehen ist Murray ein Auslaufmodell, wie im Übrigen auch John Lee Hooker, den man im Frühjahr noch einmal live wird erleben dürfen. Vielleicht zum letzten MaL Leider, wie man hört, in Arenen und zu großen Hallen. Dennoch: Wohl dem, der hingeht und vorher noch schnell dieses Buch liest Der Blues als Gesamtkunstwerk. 5,0
RollingStones: Musik, Mythos, Macht Heinz Bamberg (ATLANTIS-SCHOTT, 25 MARK) Das tausendste Buch über die Stones ist ein Reader, der punktuelle und sprunghafte Lektüre erlaubt und deshalb geeignet ist für Bus, Bahn und Stau. Heinz Bamberg hat Literatur und Sekundärliteratur ausgewertet und seine Erkenntnisse daraus wie auch seine persönlichen Evaluationen als Musikwissenschaftler einsichtig und übersichtlich angeordnet Biografische Details wechseln mit situativen Schilderungen, Exkursen ins Soziologische und, das bieten solche Bücher sonst selten, kritische Analysen zu Werk und Wirken der „dienstältesten Rockband“ (leider nicht das einzige Klischee). Bamberg ist Fan, bemüht sich jedoch um Distanz, wobei er hier und da deutlich über das Ziel hinausschießt (schon bei „Come On“). Ärgerlicher sind freilich die Schludrigkeiten. Johnny Kidd heißt hier Kid, der Bürgerrechtler Jesse Jackson wird zum Outlaw Jesse James und Gram Parsons beging Selbstmord. Trotzdem lesenswert, schon der Info-Fülle wegen. 3,0