Madrugada – Industrial Silence :: Epigonale Diister-Elegien von einer norwegischen Rock-Entdeckung
Und noch mal: Norwegen. Dort ist es bekanntlich ein bisschen länger dunkel, doch die Hitlisten erklimmen zuweilen lichte Höhen. Man stelle sich vor: Eine Band wie diese mit einem Album wie diesem auf Platz 1 der hiesigen Charts. Unvorstellbar. Nicht so da oben. Norwegen, du hast es besser.
Und was heißt das konkret? Das klassisch besetzte Quartett um den mächtigen Sänger und Texter Sivert Hoyem provoziere „Kenner sofort zu Vergleichen mit amerikanischen Alternative Country-Bands“, verkündet das PR-Info – eine Mutmaßung, die noch an Gewicht zu gewinnen scheint, weil Gastmusiker Bob Egan (Freakwater, Wilco) seine Pedal- bzw. Lap-Steel gleich für immerhin sechs der insgesamt dreizehn Titel ausgepackt hat. Doch relativ schnell – und spätestens beim düster dräuenden „Sirens“ – wird klar, dass Madrugada von „No Depression“ ähnlich weit entfernt sind wie die Hamburger Country-Adepten Fink von einer, sagen wir: neo-klassizistischen Country-Rock-Band.
Vielmehr reiten die Norweger, die auch Fender Rhodes und Hammond, Pump Organ, Glockenspiel und Xylophon etc. einzusetzen wissen, auf einer Ahnenreihe heim in ihre post-industrielle Stille, die von den Doors über The Dream Syndicate bis zu Nick Cave reicht. Derselbe Sinn für Drama, Intensität und explodierende Mitternachtsspitzen. Ein Sänger auch, der pubertierende Mädchen auf Sinnsuche mit Dunkelmanngebaren und einem jenseitigen Falsett schon schön um den Schlaf bringen kann. Möglicherweise sogar Erwachsene.
Wenn schon Americana, dann eher die angefressene Hollywood-Version Marke Grant Lee Buffalo, denen sie vor allem für das schluffige „This Old House“ fast Tantiemen zahlen müssten. Ein Titel übrigens, den man sich noch am ehesten auch hier in den Charts vorstellen könnte. Schließlich haben es die Walkabouts mit dem so ähnlich gelagerten „The Light Will Stay On“ auch mal geschafft. Aber das ist ja schon wieder lange her.