Pop 2000 – Das gibts nur einmal :: Grönland/EMI
Krauts covern Krauts: ein Abriss über die heimische Identität von Popkultur
Deutscher Pop ist die Quadratur des Kreises. Zumindest war er immer eine krampfige Angelegenheit. Grönemeyer hechelte, Westernhagen bellte, Lage keuchte, Lindenberg nuschelte, Kunze rezitierte, Niedecken greinte, Maffay krächzte. Oft bierernst der Tonfall und bieder die Tonfolgen. Diese Herrenriege hat die „50 Jahre Popmusik und Jugendkultur in Deutschland“ durchschritten, die der WDR in der Dokumentation „Pop 2000“ resümiert Als Nachkriegsgeneration ahmten sie Rock, Beat, Punk nach, blieben aber die Attitüde des Pop schuldig.
Pop ist eine Haltung, die Schwermut ins Leichte, Tiefgründiges an die Oberfläche hebt, sophisticated eben oder zumindest geisdose, jedoch glasklare Unterhaltung. Nach letzterer Definition tarnte sich der glaubhafteste, wenn auch nicht beste Pop von Deutschen gleich als Care-Paket aus Übersee. Frank Farians Boney M. und Milli Vanilli etwa. Oder die großen Naiven von Modern Talking. Obwohl – Lindenberg war für einen Moment schon Pop, jenes „Utopia“, dessen Unmöglichkeit sich bereits in starren Wortschöpfungen wie Krautrock und Deutschrock zeigt Selbst das Etikett Neue Deutsche Welle illustriert das Elend: Von Trio, Spliff oder Ideal abgesehen, wurde oft nur der Schlager juvenil fortgeschrieben. Roland Kaiser und die Münchner Freiheit sind noch am Ende der Skala mehr Pop als mancher verkniffene Schunkelrocker. Jochen Distelmeyer sei mein Zeuge.
Statt einer Radioquote für die notleidende Heimatmucke kam HipHop. Deutschsprachig. „Die da“, tralala. Auf „Das gibt’s nur einmal“ beweisen denn auch diese Rapper, dass es hier zu Lande Pop geben kann. 5 Sterne deluxe verfremden Baccaras „Yes, Sir, I Can Boogie“, übrigens vom Münchner Rolf Soja komponiert, zu einer kühl schwoofenden, ironischen Hommage an den Originaltext: „Hey geistfrei, hey geistfrei, hey seid dabei.“ In einer sphärisch fiependen, mit trockenem Beat unterlegten Ballade nimmt sich Smudo eindringlich Herwig Mittereggers Verlierer „Rudi“ an. Eißfeldt von den Absoluten Beginnern singt Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ als Reggae mit Bläsern und schwärmt von „Uwes Umhängekeyboard“. Das ist Pop.
Die deutsch-deutschen Coverversionen zeigen erstaunlich, erheiternd und erschütternd das Dilemma im Pop-Verständnis und die Diskrepanz zwischen den Generationen. Die Guano Apes knüppeln „Big In Japan“ von Alphaville nieder, die erfolgreiche Schülerband Echt spielt „König von Deutschland“ relativ adäquat, obschon ihr Rio Reisers heiliger Zorn fehlt BAP rumpeln bei „Fette Ratten“ von Schröders Roadshow wie immer, Xavier Naidoo nimmt säuselnd „Flugzeuge im Bauch“ den brüchigen Schmerz. Grönemeyer, der das Projekt auf seinem Label verlegt und „Da Da Da“ digital renoviert, wird zu Recht dreimal gewürdigt Die zwei Songs der Polit-Punks Abwärts dagegen sind ein historischer Irrtum. Klar, den Toten Hosen fiel sonst nichts ein. Und Techno-Apologet Westbam hat „Computerstaat“ gewiss wegen des Titels gewählt, so aber eine typisch deutsche Schizophrenie bloßgelegt: „Stalingrad, Stalingrad, Deutschland Katastrophenstaat“. Während die Schweriner Das Auge Gottes überraschend mit „Sehnsucht“ von den Einstürzenden Neubauten einen besseren Big Beat vorlegen, krakeelt die einstige Ossi-Göre Nina Hagen „Männer“ launig als Drum’n’Bass-Disco-Verschnitt und schleppen Die Prinzen ostalgisch und modisch aufgepeppt die hässliche „Doris“ von Pankow mit Es soll sich ja keiner ausgeschlossen fühlen.
Aber Kraftwerk etwa fehlen, ein junger Electro-Neutöner, Blumfeld und Tocotronic. Auf seinen Maffay mag der Deutsche ja nicht verzichten. Das gibt’s nur bei uns.