Drucksachen von Wolfgang Doebeling
Auf des toten Mannes Kiste von Franz Dober (EDITION NAUTILUS, 26 MARK)
Es war im Frühherbst 1997, da ließ sich der bayrische Journalist Franz Dobler einen Stapel der ostdeutschen Tageszeitung „Junge Welt“ schicken. „Ich las den Stapel durch und dann dachte ich, das ist doch gut“ Fortan schrieb er im ehemaligen Organ der Freien Deutschen Jugend. Und zwar, kein Witz, „eine monatliche Kolumne über Country-Musik“. Etliche dieser Spalten ergeben nun nicht nur ein Buch, sondern auch wenig Sinn. Sofern man Doblers Ansinnen ernst nimmt. Country kommt nämlich gar nicht vor. Und wenn doch, dann nur zur Abschreckung.
Stattdessen erfährt der Leser Bedeutsames und Beschwipstes über hundert Künstler und Komiker, die an der Peripherie herumvagabundieren und bei Bedarf mal eine Steel-Guitar heulen lassen oder gern mal einen über den Durst trinken und dann den Mond anheulen, vorzugsweise mit einer Weise von Hank Williams. Aus der Szene-Kneipe direkt zu diesen abgedrehten Eigenbrötlern, die als Fußnoten das Unterfutter lexikalischer Untersuchungen bilden. Hier sind sie die Hauptfiguren. Der dumpfmotorische Dilettant Hasil Adkins, der seine Anstalt nur tageweise verläßt, bei Auftritten eine Aura morbider Demenz verbreitet wie Eagle Perneils Helden in „Last Night At The Alamo“ und einen so laschen, kalten und feuchten Handshake sein eigen nennt, dass so manche Leiche daneben recht vital wirkt Zu Country & Western verhält sich der gute Hasil wie Homer Simpson zur Atomphysik. Tav Falco, Jon Langford, The Legendary Stardust Cowboy: Klar doch, jederzeit Aber Country? Nur in der assoziativ amoklaufenden Literatenfantasie des Herrn Dobler und seiner fidelen, alle Fünfe gerade sein lassenden Komplizen. Ähnlich schnurzig ist die Billigheimer-Auswahl der Illustrationen. Merle Haggard vertreten durch ein Compilation-Cover von K-Tel! Kein Fundus, keine Klasse, nichts Echtes, alles beliebig zusammengetragen.
Amüsant zu lesen ist es über weite Strecken freilich schon. Das gilt auch für die Beiträge von Jonathan Fischer, Eugene Chadbourne und Wiglaf Droste. Letzterer schrieb eine Hymne auf Kinky Friedman, bevor zum Ende Ed Ward, erklärter Kinkster-Verächter, zum kenntnisreichen und doch fehlgeleiteten Rundumschlag ausholt. Country Music, so das Fazit des Techno-Apologeten, sei tot. Vor vielen Jahren schon verblichen. Bullshit Buddy. George Jones lebt, und Wayne Hancock hat doch eben erst begonnen. 3,0
The Gulf Coast Boys von Richard Dobson (GREATER TEXAS, CIRCA 25 MARK)
Unbezahlbare Erinnerungen des Songwriters Richard Dobson an seine bewegten Wanderjahre und seltsamen Abenteuer on the road mit einer Clique von Kumpeln und Kollegen. Rex Bell, Mickey White „and the looniest, most gifted of the bunch, Townes Van Zandt„. So lebensnah und detailgenau (jede Menge direkte Rede) sind diese Anekdoten, dass sie sich, wiewohl episodenlastig, zu einer Autobiografie zusammenpuzzeln lassen. Von Dobsons Zeit als Arbeiter auf einer Ölplattform über die Evakuierung derselben inmitten eines Hurricane, Überlebensstrategien in Nashville und die Tücken des Music Business bis hin zum mählichen Auseinanderdriften der Freunde, Tourneen durch Europa, ein paar Hochs, sehr viel mehr Tiefs, Townes‘ Tod. Wahre Gechichten, die belacht und durchlitten sein wollen. „It’s a miracle we survived“, sagt ein nachdenklicher und nüchterner Townes kurz vor seinem Tod zu Richard Dobson. Um dieses Wunder geht’s, nicht weniger. 4,0