Short Cuts von Oliver Hüttmann

Warren G – I Want It All (RCA)

Nach Barry White und Prince der Verführer der Neunziger. Mit seiner Single „Regulate“ erweichte der Snoop-Kumpel und Halbbruder Dr. Dres vor fünf Jahren die Herzen weißer Mittelstandstöchter. Mr. G-Funk betört weiter mit entspannten Synthesen aus Schmuse-Soul, knackigen Bläsern und wollustigen Bässen. Rap mit Pop-Appeal, der sicher einen Ohwurm abwirft. 3,0

Mary J. Blige – Mary (Polydor)

Vom Fly Girl bis zur Diva hat sie sich mehrfach gehäutet und schon auf „My Life“ pathetisch ihre Nackenschläge besungen. Nun posiert sie als Leder Amazone, zeigt ihre Narbe unter dem Auge und legt mit dem Titel in ihrem Image eine irritierende Intimität bloß. „Deep Inside“ und „Memories“ heißen Songs, aufs schmachtende „I’m In Love“ folgt schneidend „The Love I Never Had“. Sie bedient sich bei Elton John und Burt Bacharach, lässt Eric Clapton spielen und George Michael singen und Rap-Bässe bollern, aber selbst der konfektionierte Soul von Whitney Houston hat mehr Schmalz und Schwung. Zwischen Schmerz und Sehnsucht bleibt ihr bitterer Stolz so unbestimmt kühl wie ihre von Lauryn Hill geschriebene Single „All That I Can Say“. 2,5

Rahzel – Make The Music 2000 (Polydor)

Als the human beatbox and godfather of noyze hebelt Roots-Mitglied Rahzel die elektronische Zukunft der Musik mit Stimmbändern und Kehlkopf aus. So tappt und scratcht er zu Bässen von Pete Rock, pumpt Bässe für Sängerin Erykah Badu, misst sich als Bläser-Sektion mit Branford Marsalis, bringt allein ein „Wu-Tang Live Medley“. Der Resonanz-Akrobat imitiert wie ein Remixer und komponiert wie Bobby McFerrin. 3,0

IceT – The 7th Deadly Sin (Roadrunner)

Sein siebtes Album eröffnet der „Original Gangsta“ mit einem Zitat aus dem Psycho-Thriller „Seven“, während ein Countdown vom Doomsday kündet. Doch der Judgement Day des Rap-Terminators, der sein Dasein stets als surviving the game begriff, fällt aus: „Check Your Game“ ruft ein Songtitel auf, versöhnlich rappt er „Don’t hate the playa, hate the game“, in „Valuable Game“ gedenkt er Tupac und Biggie, Femeopfer rivalisiernder Rap-Possen. Denn Neid gilt ihm als siebte Todsünde. So hallen auch in „The 7th“ wieder Schüsse, aber statt kaltblütig Schrecken zu verbreiten mit stakkatohaft-kakophonischen body counts, fordert eine eisige Atmosphäre gegenseitigen Respekt. Ruhiger, melodischer, feinsinniger, dennoch mit Biss. Das beste Comeback eines alten Vfclfes nach Public Enemy. 3,5

Noreaga – Melvin Flynt – Da Hustler (eastwest)

Method Man war Johnny Blaze, Eminem schlüpfte ins Alter Ego Slim Shady, Noreaga gibt nun Melvin Flynt, eine Kombination aus dem von Jack Nicholson in „Besser geht’s nicht“ gespielten Neurotiker Melvin Udall sowie dem Porno-Aktivisten und „Husder“-Verleger Larry Flynt. Auf Soundschnipsel, Beats & Rhymes reduziert, erzählt der Gangsta vom „Cocaine Business“ und „Blood Money“. Redundanter, aber respektabler Old-School-Aufguss. 3,0

Too $hort – Can’t Stay Away (Jive/Zomba)

„In platinum we trust“, abgeleitet vom bibeltreuen Satz, der auf jeder Dollarnote steht, lautet das Credo seines eigenen Labels. Auch das elfte Album des Kaliforniers wird wieder reichlich Bucks einfahren, ihm aber weiterhin nicht den verdienten Status als Pionier oder Popstar einbringen wie EPMD oder Puff Daddy, mit dem er „It’s About That Money“ rappt. Luxuriös schmückt er die Reduktion der Old School mit Soul, G-Funk und lasziven Bässen aus, wobei „Ain’t No Bitches“ herausragt 3,0

Bell, Book & Candle – Lonqinq (BMG)

Das Pop-Märchen aus dem Osten von Dornröschen und ihren zwei Puhdys-Zwergen geriet mit „Rescue Me“ zu einem deutschen Hit-Wunder. Der Zufall wird zwischen ihrer neuen Single „Fire & Run“, Mucker-Gitarren-Pathos, modischem Electro-Dilettannsmus, Schlagerharmonik und der „Tatorte-Ballade „Bliss In My Tears“ gewahr: Vergiss es, Gorny! Hübner, übernehmen Sie! 1,0

Die Firma – Das 2. Kapitel (V2)

Das Kapitel der Kölner HipHop-Band sollte bald abgeschlossen sein. Zu unausgegoren sind die Songs, die sich in Musik, Witz und Reimen mit Etablierten wie F4, Eins, Zwo und Fünf Sterne deluxe nicht messen können. 2,0

Das Weeth Experience – Aural Scenic Drive (Stränge Ways)

Zeitlupenhaft wie Souled American ziehen die Hamburger mit ihren Stromgitarren meditativ-psychedelische Feedback-Schleifen, die nicht die Tiefen des Lärms ergründen, sondern eher leise die brüchige Oberfläche. b La Tengo, Dinosaur Jr und Sonic Youth schwingen mit, Soundgarden, Hendrix, Pink Floyd gar. Vor aDem aber füllen Exkursionen zu Neil Young die Verstärker mit Wehmut auf. Play it loud! 3,5

Guitar Wolf – Jet Generation (Matador)

Karaoke als Metal-Massaker: Das japanische Trio in Lederkluft hat einen masochistischen Spaß an verzerrten, verstimmten Gitarren, mit denen sie ungebremst an Motörhead, den Stooges und Ramones entlang dreschen. 2,0

The Cinematic Orchestra – Motion (NINJA TUNE’ZOMBA)

J. Swinscoes gab seinen Musikern aus Soundtracks der Sechziger und Siebziger gesampelte Loops vor, die im Studio mit Piano, Saxofon und Akustikbass weiterentwickelt und von ihm wiederum zu Samples zerlegt und elektronisch arrangiert wurden. Virtuos verzahnte, atmosphärisch facettenreiche, traumhaft schwingende Instrumentals zwischen Massive Attack, Miles Davis und Ouincy Jones. All that jazz. 4,0

Fetish 69 – Geek (Trost/ Doxa Records)

Den schizoiden Alltagshorror der Regisseure Ferrara, Lynch und Cronenberg bemühen die drei Wiener als imaginären Film zu ihren Tonspuren. Big Beats und Drum’n’Bass, Ambient-Melodien und Industrial-Rock, Gewisper und Jazz-Rhythmen bilden eine scheppernd-sinistre Symbiose. Der alarmartige Track „Log On The Fire“ hätte auf den „Matrix“-Soundtrack gepasst. 3,0

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