Roots von Jörg Feyer

Julie Miller – Broken Things (Hightone/Fenn)

Seit Julie und Buddy Miller 1993 nach Nashville übersiedelten, ist wieder ein bisschen mehr Licht in Music City USA. Vor allem: ein bisschen mehr gute Musik. Noch konsequenter als auf ihrem Debüt „Blue Pony“ bündelt die Texanerin aus Waxahachie Trauer, Verlangen, Verzweiflung, Zuversicht, Trost in zwölf exzellenten Songs zu einem „showease of the human spirit“ (Label-PR). Gatte und Gitarrist Buddy beaufsichtigt derweil im Heimstudio mit ausgesuchten Helfern das Sound-System und singt dazu auf Tracks wie „All My Tears“ (bereits von Emmylou Harris und Jimmy Scott gecovert) und „Out In The Rain“ betörende Harmonies, die ganz große Country-Rock-Momente heraufbeschwören (ohne wirklich Country-Rock zu sein). Das Waits-eske „Strange Lover“ und die Charakterstudie „Maggie“ sind nur zwei gegensätzliche Pole eines Albums aus einem Guss. 4,5

Markus Rill – The Devil And The Open Road (BLUE ROSE/ZOMBA)

Epigonal darf man immer noch nennen, was der in Würzburg ansässige Texaner im Geiste auf seinem zweiten Album treibt Doch in den breiten Spuren seines großen Idols Steve Earle gelingt es Rill zunehmend, eigene Wegpflöcke in den Sand zu schlagen. Das liegt zum einen an Songs wie „Awful Pretty“, die schön mehrdeutig schimmern. Und das geht zum andern aufs Konto sowohl breiter angelegter als auch genauer realisierter Arrangements, die nicht zuletzt von der Verve des neuen Gitarristen Marcus Staab (Boodeggin‘ Hobos) profitieren. Die Optik (Booklet-Rückseite) allerdings scheint noch ausbaufähig. 3,5

Phonoroid – Not On The Map (Schott music)

Axel Manrico Heilhecker ist werktags nach 23 Uhr regelmäßig für wenige Augenblicke bei SAT 1 im Bild, wenn er als Gitarrist von Helmut Zerletts Los Zerlettos Rock-Klassiker aus dem Zettelkasten (an-)spielt. Der Brotjob ermöglicht dem Wolf-Maahn-Sidekick wohl musikalische Abenteuer wie dieses. Gemeinsam mit der Texterin und Sängerin Vanessa Vassaras buchte Heilhecker einen ebenso intimen wie irritierendenTrip in die Seelenlandschaften des US-Südwestens, der tatsächlich auf keiner Roots-Landkarte heimisch werden will. Eine Wurzelbehandlung der etwas anderen Art, nicht durchweg geglückt, aber noch im Scheitern halbwegs spannend. 3,0

Bill Kirchen – Raise A Ruckus (Hightone/Fenn)

San Antonio ist immer eine Reise wert. Zumal dann, wenn man wie der Ex-Commander Cody-Gitarrist noch ein paar alte Kumpel wie Austin De Lone da unten sitzen hat, die ein günstiges Studio kennen und obendrein gute Kontakte halten zu lokaler Prominenz wie Akkordeon-As Flaco Jimenez und Fiddler Bobby Flores (Ray Price Band), die dort gern für ein Gastspiel vorbeischauten. Hoch die Tassen bzw. Flaschen? Schon. Doch die Party-Stimmung kann nicht ungetrübt sein, wenn zwischendurch der „Man In The Bottom Of The Well“ vorbeischaut. Gattin Louise schmalzt im Duett und steuert einige der besseren Songs („Fly On Your Jacket“, „Big Hat/No Cattle“, nicht das Stück von Randy Newman) zur Country-Billy-Sause bei 3,0

RJ Mischo – West Wind Blowin (CROSSCUT RECORDS)

Wer sich in der nordkalifornischen Blues-Szene ausgerechnet als ein Harp-Spieler behaupten will, muss buchstäblich über einen langen und möglichst heißen Atem verfugen. Schließlich sind dort Könner wie Charlie Musselwhite und Rick Estrin zu Hause. Mischo, vor knapp zwei Jahren aus Minnesota an die Westküste übergesiedelt, kann in seiner neuen Heimat inzwischen auf gediegene Helfer wie die Gitarristen Rusty Zinn und Steve Freund bauen, lässt sein Blues-Herz aber immer noch kräftig für Chicago schlagen – zwischen Hommage („Selling The Jelly“) und Humor („RJ, Getup! Milk That Cow“). Dem ewigen Nebel über der Bay Area von San Francisco hat allerdings kaum jemand ein so markantes, akustisches Denkmal gesetzt, wie es Mischo hier mit dem schönen Instrumental „South City Fog“ tut. Außer natürlich Alfred Hitchcock mit seinem Film „Vertigo“. Aber Hitchcock trug keinen Hut. 3,5

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