Jimi Tenor – Organism :: Warp / RTD
Am Anfang war der Underground: Da hat der Finne Jimi Tenor für das Label Säkhö sonderbare Techno-Platten aufgenommen („Fear Of A Black Jesus“), politische unkorrekte Filme gedreht („The Wrestler“) und an einer skurrilen Modekollektion gearbeitet („Tenor Wear“). Heute träumt Tenor von Las Vegas und Glamour-Pop; mit seiner riesigen Fake-Designerbrille und der blonden Mop-Frisur sieht er ohnehin aus wie der ewig wiedergeborene Andy WarhoL „Orgamsm“klingt über weite Strekken wie eine Zusammenarbeit zwischenPeter Thomas, Kraftwerk und Sly Stone – unterkühlte Chöre, dezenter Soul-Funk, intergalaktische Soundeffekte und immer wieder Tenors sympathischer Nichtgesang. Es entsteht die Vision von einer Zukunft die bereits vergangen ist: Reminiszenzen an Unterwasser-Casinos, an fremdartige Lebensformen oder unbekannte Sonnensysteme. Wir erinnern uns an den Charme alter Science-fiction-Filme, an friedlich blubbernde Lavalampen oder an sanft psychedelische Drogen. Doch bevor das alles zuviel wird, läßt Tenor seinen kruden Humor aufblitzen. Dann imitiert er Barry White, oder er spielt ein kurzes Saxophon-Solo, das sich anhört wie aus einem schmuddeligen Nightclub. Schon auf dem letzten Album „Intervision“ fuhr Tenor mit einem riesigen Einkaufswagen durch den Selbstbedienungsladen Popmusik. Dieses Mal war der Finne offenbar mit einem Sattelschlepper unterwegs, so üppig und reich ist diese Platte gespickt mit Zitaten aus den unterschiedlichsten Genres und Epochen. Doch Tenors Eklektizismus läßt sich nie wirklich dingfest machen: „Organism“ ist ein verzauberndes Deja-vu: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft haben keine Bedeutung mehr, denn alles passiert jetzt. JÖRGEN ZIEMER