Replays 2 von Bernd Matheja
Various-Artists-Kopplungen erfahren nicht immer die verdiente Resonanz. Auch „THE GOLDEN AGE OF AMERICAN ROCK’N’ROLL“ (Ace) wurde bis dato weitgehend ignoriert, ein Versäumnis! Denn die lose Reihe – gerade erschien bereits Vol.7 ist gespickt mit Bonbons. Nachdem sich die Line-Serie „Rock File“ (schon 65 CDs) ausschließlich den US-Top-40 der späten Fifties und frühen Sixties widmet, erweitert Ace die Breite auf die Top 100, melkt ein weitgehend anderes Label-Spektrum ab. Hochwillkommene Folge: Hier sind auch die halbwegs Unterschätzten und abenteuerlicherweise Überhörten vertreten, denen – warum auch immer – auf Platz 69,87 oder 94 die Puste ausging. Und wer verkoppelt schon so was? Jede der Einzel-CDs (30 Tracks) ist empfehlenswert, die ganz großen Namen kommen nur sporadisch vor. Statt dessen begegnen wir Obskur-Kapellen wie den Lafayettes („Life’s Too Short“, coolster 62er Pre-Punk, Seeds-Vorläufer!), Cleveland Crochet & Band („Sugar Bee“, schorfige Cajuns), den Sevilles („Charlena“), Don French («Lonely Saturday Night“), den Rockin‘ R’s („The Beat“), Ivan („Real Wild Child“), den Delacardos („Hold Back The Tears“) und vielen anderen, fast Namenlosen. Vorzügliche Booldets – textlich wie optisch – runden diese Mixturen aus Gepolter & Tränendrüse, aus krachigen Stompern & charmanten Stümpern ab. Ace-Katalognummern: CHCD 289, 445, 497, 500,600,650,700. 4,0
Man nehme Elemente der Moody Blues und von Jethro Tull gebe eine Prise Greenfield & Cook hinzu – fertig. So geschehen bei PARZIVAL, den norddeutschen Folkrockern mit Avantgarde-Anteil. Ihre Alben „Legend a (Telefunken 3984-23108) und „BaRock“ (3984-23109) von 1972/73 melden jetzt CD-Premiere. Natürlich lösten sie sich nicht – wie behauptet – von angelsächsischen Vorbildern; dort gab’s genügend Combos, die ebenfalls feingliedrigen Progressive-Mix favorisierten. Im Kraut-Umfeld stand Parzivals Baroque Rock qualitativ überwiegend auf der Sonnenseite – trotz der oft scharfkantigen Übermittlung des Englischen. 3,0 für zwei LP-Raritäten mit Extra-Tracks.
Ärgerlich: das nichtsnutzige 16-Minuten-Monster „Groove Inside“ gegen die entspannte Grundstimmung.
Einige der besten englischen Midsixties-Bands haben charttechnisch nie etwas gerissen: The Addern, die Art woods, V.I-P.’s. Auch THE EYES gehörten zu diesem Zirkel der Heimlichtuer. Jetzt liegt das Ein-CD-Gesamtwerk des Londoner Quintetts vor, „The Arrival Of The Eyes“ (Essex 1072 CD/Direktimport). Neben einigen Demos und Azetaten – klanglich dementsprechend schwächer – gibt’s die vier Singles (A-& B-Seiten) sowie eine 1966 unter dem Pseudonym The Pupils veröffentlichte 12-Track-LP mit schroffen Rolling-Stones-Nummern. Starker Mod-Sound, gemixt mit R&B und dem Prachtstück „When The Night Falls“, einem der besten Mittsechziger-Tracks überhaupt 3,5 für 28 Songs.
Der 70erJahre-Revival-Boom macht’s möglich: Auch die Mannen um Sänger/Gitarrist Chris Norman erfahren eine klangliche Bereinigung. „Best“ von SMOKIE (Phono Music CD 272 00-781) ist logischerweise eine Hit-Kollektion der Abräumer, aufgestockt um die beiden Norman/Quatro-Duette „Stumblin‘ In“ und „A Stranger With You“ sowie die unvermeidliche „Midnight Lady“ (Norman solo). Herausgekommen ist eine jetzt hochtransparente Angelegenheit, zu der so herausragende LP-Tracks wie etwa „‚We’re Flying High“, „Changing All The Time“ oder „Stranger“ vielleicht besser gepaßt hätten als die strichweise atypischen Eigenbauten „Miss You“ und „Run To You“ (Geschmackssache). 3,0 für exzellent aufbereiteten Ohrwurm-Poprock der Kommerzklasse A. Zehn der Titel finden sich auch auf „The Concert“ (BMG Ariola 7432159256), dem einzigen existierenden Live-Mitschnitt eines Smokie-Konzerts von 1978. Angenehm wenig Gekreische, grundsolide, mit mehr Instrumentalarbeit als auf den Singles. 2,0
Schwer zu toppen ist „A Perfect Strager“, die Anthologie von MARIANNE FAITHFULL (Island 524 579) auf einer prallvollen Doppel-CD.35 höchst kenntnisreich gepickte Spitzen-Tracks aus 17 Karriere-Jahren, sämtlich ohrenfreundlich nachbearbeitet Gut, daß neben Top-Standards wie „Ballad Of Lucy Jordan“, „Working Class Hero“ und dem Live-Killer „Times Square“ auch fünf unveröffentlichte Titel sowie zwei CD-Premieren (von Maxi-Singles) im Angebot sind. Da schmerzt das Fehlen von „A Thrill’s A Thrill“, dem vergessenen Duett mit dem stimmlichen Co-Kaputtnik Mitch Ryder, nicht mehr ganz so heftig. 5,0 für ein Highlight der „Chronides“-Reihe.
Ein wahrhaftiges Mega-Jubiläum: Seit genau 50 Jahren nimmt sie jetzt Platten auf und ist weiter aktiv – PETULA CLARK. Bear Family Records schlagen darum adäquat zu, würdigen Clark mit der edlen 4-CD-Box „The International Cotlection“(BCD 16212), Buch inklusive. 102 Aufnahmen in italienischer, spanischer und deutscher Sprache – darunter dutzendweise CD-Erstausgaben – setzen der speziell in Großbritannien hochgeachteten Unterhaltungssängerin ein angemessenes Denkmal. Mit Chansons und Pop, mit Schlagern und Gecroontem, hat die beute 66jährige alle musikalischen Moden überlebt, landete allein 18 deutsche Hits, obwohl sie so oft wie unverdient auf ihren Klassiker „Downtown“ reduziert wird. Dies ist Easy-üstening-Soiind auf gehobenem Niveau, titelmäßige Eskapaden ä la „Du bist mein Anfang und mein Schluß“ trüben den positiven Gesamteindruck nicht Eine weitere vorbildliche Veröffentlichung der Präzisions-Recycler aus Hainbergen: 4,0
Neues Altes aus diesen Breiten: „Beat aus Berlin 1 ‚ (Telefunken 3984-24118) von DIDI & HIS ABC-BOYS mit Beatles-Songs in deutscher Sprache als Schwerpunkt. Kuriositäten wie diese helfen, die jüngere teutonische Musikgeschichte aufzuarbeiten und so manchen Verklärungsfaktor aufs Normalmaß zurechtzustutzen. In 32 Minuten (inkl. Bonus -„Didi Boy“ solo) ist die augenzwinkernde Angelegenheit vorübergerauscht, das Gesamtwerk abgefeiert. Wesendich handfester scheppern da schon die „verschiedenen Künstler“ des „Live Recording From The Top Ten Beat Club, No. 1 „aus Hamburg (Telefunken 3984-24117). Wer die assistierenden „Allstars“ – mit stündlich wechselnden Besetzungen – waren, konnte nur in Teilen geklärt werden. Macht nix! Vol. 2,3 und 4 sollen folgen. Historisch durchaus wertvoll! 3,0