Jon Spencer Blues Explosion
ACME
Mute/Intercord
Den „Acme“, den Höhepunkt seines Schaffens, hat Jon Spencer bereits hinter sich. Er manifestierte sidi in den ersten Sekunden des Albums „New / Got Worry“ mit einem markerschütternden Urschrei. Was danach folgte, wurde von erhitzten Musikkritikern entweder als genialische Neuerfindung oder als kühne Dekonstruktion des Blues gefeiert. Rauher, archaischer und unkontrollierter klang Spencer noch nicht einmal zu Zeiten seiner Anarcho-Truppe Pussy Galore. Die Genialität des Blues Explosion-Sounds lag dabei natürlich nicht im kruden Geholze, sondern im (gelungenen) Versuch, die Ursprünglichkeit des Blues möglichst authentisch in unsere Zeit zu übertragen – mit allen Mitteln, die dem im Elektronikzeitalter lebenden Menschen nur zur Verfugung stehen. Schmerz und Gewalt, Sex und machohafte, egoistische Ekstase bilden seit 1991, seit „Front The Crypt“ die Eckpfeiler dieses Sounds. Mit „Now I Got Worry“ gelangte er zur Vollendung.
Was nun? „Acme“ klingt noch konsumabler, noch „radiotauglicher“ als sein Vorgänger – als hätten wir das nicht erwartet. Aber warum auch nicht? Spencer, der vor knapp zwei Jahren von allen wichtigen Titelblättern der Musikpresse grinste, hat Blut geleckt und will jetzt auskosten. Daß im Blut-, Schweiß- und Tränen-Gemetzel des letzten Albums noch mehr, viel mehr drinsteckt, weiß er schließlich genau. Und deshalb wird jetzt fruchtbarer Boden beackert. Freunde von „Extra Width“ oder „Orange“ sollten sich daher beim Genuß von „Acme“ auf ein zahmeres, zuweilen sogar braves Hörerlebnis einstellen.
Zur Unterstützung gruppierte Spencer ein illustres Ründchen hilfreicher Gesellen um sieb Steve Albini (Mix für „High Gear“), Cypress Hills T-Ray (hiphoppiger Mix für „Calvin“), Dan Nakamura (Mixes für „Torture“, „Talk About The Blues“) und Alec Empire (Mix für „Attack“), um nur einige zu nennen. Der originäre Stil der Blues Explosion, bestehend aus Spencer, Judah Bauer und Rüssel Simins, wird durch das Herumrühren der vielen Köche allerdings kaum beeinträchtigt Unter den Loops, den gelegentlichen Ausflügen in HipHop-Gefilde, mit denen sich das Trio ganz offen an potentielle Plattenkäufer anschmiegt, schwelt nach wie vor das coolste Feuer, das je in der Hölle loderte. Auch wenn der Novelty-Bonus futsch ist – locker geschüttelte Platten wie „Acme“ hat Spencer ganz bestimmt noch zuhauf im Ärmel.