DRUCKSACHEN :: von Wolfgang Doebeling
Es waren musikalisch aufregende, ja abenteuerliche Zeiten, damals, vor 20 Jahren. Punk und die Folgen, so lang ist’s her. Doch es war keineswegs nur die Musik selbst, die Spannung erzeugte, sondern die Gesamtästhetik der Revolte, die sich nicht zuletzt in der Verpackung der Platten niederschlug. „THE ALBUM COVER ART OF PUNK!“ (Edition Olms, 50 Mark), ein Bilderbuch von Burkhardt „Zensor“ Seiler & Friends, dokumentiert und feiert diese Epoche.
Rund 250 farbige Cover-Abbildungen, sowohl nach graphischen Gesichtspunkten wie nach Tribalismus-Aspekten geordnet, lassen beim Blättern Wehmut aufkommen an eine Ära, in der das Design noch etwas galt im Popgewerbe, als die Visualität der Musik untrennbar verflochten war mit ihren Inhalten, als einem so ein Cover schon apriori die Freuden verkündete, die später erst aus den Rillen drang. Ein Drittel der selektierten Sleeves hat mit Punk im eigentlichen Sinne nur mittelbar zu tun, wichtige Exempel wie das DIY-Faltblatt zu „Teenage Kicks“ oder das Amp-Design für „Complete Control“ fehlen, doch wer die Wahl hat, hat die Qual. Bedenkt man indes, daß mehr als die Hälfte der abgebildeten Artefakte Singles beherbergten, erscheint der Buchtitel wie Etikettenschwindel. „The Cover Art Of The Punk Era“ müßte der Band richtig heißen. Dann würde auch Hollow Skais Kritik (siehe auch Seite 31) ins Leere laufen. Man könnte diese Ära grob auf die Jahre 1976 bis 1979 terminieren, müßte sich um Epigonen-Punk der Marken Green Day oder Die Ärzte genauso wenig kümmern wie um NDW-Nachgeburten und hätte die Freiheit, Punk-Anverwandtes wie Ska oder Powerpop zu berücksichtigen. Denn genau das macht der „Zensor“.
Das Vorwort schrieb einer, der dabei war und sich gern (wie auch hier) als Drahtzieher der Rebellion darstellt, als Vordenker und verwegener Avantgardist: Malcolm McLaren. Das tut er wie immer eloquent und humorvoll. Was beweist, daß Selbstüberschätzung durchaus unterhaltsam sein kann. Ebenso wie das nostalgische Deja vu beim Betrachten von plakativem Schrott drittklassiger Punk-Combos. The Cash Pussies! The Snivelling Shits! Dringend zu empfehlen ist dieses Cover-Kaleidoskop vor allem jenen, die der Gnade einer späten Geburt teilhaftig wurden, die Siebziger noch nicht bewußt erlebten und womöglich glauben, ein Digipak sei eine feine Sache. 3,5
Like punk never happened: „DER WEG ZUM POPSTAR VOM DEMO-BAND BIS IN DIE TOP TEN“ (Schott, 25 Mark) von Marlis Jahnke beantwortet endlich Fragen wie: „Warum gibt es Titel, von denen tausende CDs verkauft werden? Warum schaffen es andere nie, in die Charts zu kommen?“ Die Autorin war über zehn Jahre als A & Rund Produktmanagerin tätig und managte Udo Lindenberg, weiß also Bescheid. Wie man sich etwa beizeiten krümmt, einschleimt und empordient. Wie man nicht aneckt und Eitelkeiten bedient Wie ein Produkt angepaßt und angeboten wird, wie man mit seinen Augen oder auf der Medien tastatur klimpert. Tricks und Finessen für den Karrieristen. Die Kunst? Kommt hier von Können. Eine eindimensionale Sicht auf ein ausgeklügeltes Verwertungssystem, das hier und da dennoch (unfreiwillig) etwas transparenter wird. „Anwalt, ja oder nein?“, fragt ein Kapitel, und die Antwort erhält der Leser umgehend: „Die Empfehlung heißt deutlich: ja! Allerdings sind damit Kosten verbunden.“ Hätten Sie’s gewußt? Ein paar Fragen, gesteht Marlisjahnke, könne auch sie bis heute nicht beantworten. Zum Beispiel: Warum floppen immer die nettesten Künstler? Könnte an der Haifisch-Branche liegen. Und an unkritischen Karriere-Knigges wie diesem. 1,5 Und wenn man dann mal Popstar war und nicht mehr ist, kommt Heinz-Dirk Zimmermann und dokumentiert den Aufstieg und Niedergang aufs penibelste. „STAMMBAUME UND DIS-KOGRAPHIEN 3“ (Star düster, Postfach 1421, 68798 Balve, 70 Mark) beharkt, von Mungo Jerry einmal abgesehen, nur Ebenen, die einst fruchtbar waren. Ein Muß für Fans von Fairport Convention und den Dillards, von Poco und Plainsong, von Green On Red und Roxy Music, um die wichtigsten zu nennen. Schade nur, daß Singles-Abbildungen fehlen und bei Alben zuweilen auf Wiederveröffentlichungen zurückgegriffen wird. 3,5