REGGAE & DUB :: von Matthias Münchow
Man kann sich nur wundern, was Coxsone Dodd noch alles im Keller hat an unveröffentlichtem Material: Ganze Regale schlummern in seinen Archiven, Regale mit Tonbändern, die er veröffentlichen wollte, die Zeit aber wohl noch nicht oder nicht mehr als treffend empfand. Auf der neuen HORACE ANDY-CD, die nach einem sehr häufig gecoverten Riddim „Mr. Bassie“ (Heartbeat/EFA) heißt, werden gleich zwei Stücke erstmals herausgebracht: „Funny Man“ und Jimmy Cliffs „Come Into My Life“. Horace Andy prägte mit seiner einzigartigen, sanft tremolierenden Stimme zusammen mit Ken Boothe, John Holt und Delroy Wilson entscheidend den Reggae der 70er Jahre: Keiner hatte mehr Hits als diese vier, kaum einer hat kontinuierlich länger als 30 Jahre derart viel aufgenommen wie er (zuletzt für Massive Attack). Obwohl Horace Andy schon 1966 seine ersten Lieder auf Vinyl brauchte, gelang ihm sein Durchbruch erst 1970 mit „Got To Be Sure“ für das Studio One-Label. „Mr. Bassie“ ist sein drittes Album mit Studio One-Material, das zuvor nur als Singles in oft grauenhafter Tonqualität erhältlich war. Juwelen wie „Fever“, Bill Withers‘ „Ain’t No Sunshine“ und endlich „Slacky Tidy“ hört man wie neu: ohne Lagerfeuergeräusche und nadelbrechende Blasen und Papierfetzen in der Rille. 4,0
„Java“ ist einer der frühen Hits von Augustus Pablo, aufgenommen in Randys Studio 17 für den Produzenten Qive Chin. Kaum zu zählen die Versionen, die es davon gibt. Vfehmütig die Melodica, treibend der Baß, Kennzeichen der Musik der frühen 70er Jahre dieses Studios. Riddims wie diesen in der trockenen, weitgehend auf Echo verzichtenden Manier findet man auf „Randy’s Dub“. 1975 erschien das Album in der unglaublich geringen Auflage von 200 Stück. Die waren schnell verkauft, eine Neuauflage gab es bis heute nicht, die Preise für Originalkopien erreichten – wenn angeboten unverschämte Höhen. „Randy’s Dub“ erscheint jetzt als Kern der CD „Forward The Bass“ von den IMPACT ALL STARS auf dem süperben Blood und Fire-Label, das einer der besten Reggaekenner, Steve Barrow, betreibt Hinter dem Namen Impact All Stars verbergen sich Band wie Skin Flesh & Bones, The Wailers und The In-Crowd. Als das Studio 1978 nach neun Jahren schloß, ging eine Ära zu Ende, hatte es doch Produktionsgrößen wie Lee Perry, augustus pablo, den Hoo Kim Brüdern und Errol Thompson auf die Beine geholfen. 4,0
Bisher war das ja nichts mit sommerlichem Wetter. Dabei steht die passende Musik mit der CD „Showcase“ von RHYTHM & SOUND With TIKIMAN (Rhythm 8C Sound/BMG) jetzt zur Verfügung, Strand, Park und Balkon vibrieren zu lassen. Schneller, höher, weiter könnte auch der Titel sein; Stillstand ist nicht möglich. Wie schon die Maxi-Single „Mango Walk“, die in Zusammenarbeit mit Bullwakkie entstand und vor einigen Monaten erhebliches Aufhorchen erregte stammt diese Zusammenstellung von fünf lOinch Maxis (vocalund dub) aus der Soundküche jener „Rhythm And Sound“-Posse, deren Markenzeichen korrekte basslines, steady drums und waberndes Keyboardspiel mit viel Echo und der fast aus der Gruft sich herausarbeitenden Stimme des Jamaikaners Tikiman sind. 3,0
Im Gegensatz zu oben genannten Reissues, die in dieser Form neu sind, betreibt Adrian Sherwood eine andere Politik: Er bringt seine alten LPs in der alten Form (mit CD-ROM-Bonustrack) als CDs wieder heraus. Frisch auf dem Markt sind zwei Alben vom DUB SYNDICATE: „Pounding System“ und „Strike The Balance“ (OnU-Sound/EFA). Tontechnisch aufregend gemischte Dubs, die seit Beginn der 80er Jahre eingespielt wurden. Auch das Album „Across The Red Sea“ von BIM SHERMAN, dessen milde Stimme hier noch (anders als heute) von fetter Musik unterlegt ist, und „Off The Beaten Track“ von dem Wave-Reggae-Outfit AFRICAN HEAD CHARGE sind wieder zu haben. Zwar waren die On-U-Sound Aufnahmen zur damaligen Zeit schon reichlich anachronistisch, vollzog sich in Jamaika doch gerade der Übergang von immer trockener werdendem Rub-A-Dub zu noch unbeholfenem Reggae. Sherwood-Produktionen waren aber die Alternative für Roots-Hörer gewesen. Und zwar auch in England. 3,0