45 R.P:M. :: VON WOLFGANG DOEBELING
Subtilitäten sparen sich die meisten Pop-Bands für gut versteckte LP-Tracks auf. Von Singles wird erwartet, daß sie plakativ sind und radiotauglich, daß sie Hooklines haben und offensiv ins Ohr gehen. ARNOLD sehen das anders. Für „Fishsounds“ (Creation) verzichten sie auf jede Art von Ausrufezeichen und setzen dafür ein paar Gedankenstriche und rätselhafte Semikolons. Die ersten Akkordfolgen des Fade-in (!) erinnern an „Memory Motel“, die akustischen Gitarren brummen leise und sonisch, Besen und Becken spielen einen schleichenden Beat, und wenn es eine Melodie gibt, dann nur im Geheimen. Oder nach hundertmaligem Hören. „What can this poor boy do?“ fragt die Sangesstimme, und man ist geneigt zu antworten: second gear- hang on light™ third gear“ fastet; it’s alright (Copyright: Brian Wilson). Diese Single ist kein Überfall, sondern eine verdeckte Operation. Cool, calm and collected. 4,0
JACK are back. Das spanische Brevier ist zugeschlagen, ihr Romantizismus intakt „Lolita Elle“ (Tbo Pure) ist Tindersticks ohne Grandezza, Nick Cave ohne Posen, übernächtigt und untertrieben, während die B-Seite „3 O’Clock In The Morning“ mehr auf musikalisches Padios setzt und aufWallungen ä la The Di vine Comedy. „The damned and the beautiful“ sind einmal mehr Objekt von Anthony Reynolds, und sein Subjekt gelangt zu der Erkenntnis: „Anything but heaven’s got to be some kind of hell“ So jung, so fatalistisch. Welcome back. 4,0
„Always Round Here“ (Island) heißt die zweite 45 von LODGER, ein torkelndes, seekrankes Vaudeville-Stück mit Violinen, unkonventionellen Tempowechseln, exaltierten Vocals von pröetty Pearl Lowe und einem burlesken Finish. Wie eine Achterbahnfahrt auf nüchternen Magen. Macht schön schwummrig. 4,0
SILVER SUN sind dagegen unverschämt straight, ihr kompakter Pop kennt keine Umwege, und so sind die vier Tracks ihrer EP „Too Much, Too Litdtle, Too Late“ (Island) lediglich Variationen desselben Prinzips: Sixties-Melodik plus Seventies-Powerpop plus Eighties-Lärmpegel Nineties-Neobeat. Na ja, so ungefähr. Selbst über seine Motivation läßt uns das Quartett nicht im Unklaren: „Why did we do it? Because we said we never would.“ Aha. 3,0
Ganz reizend ist „Spoiled Children“ (Wiiija) von VELOCETTE, einer britischen Mädchen-Combo in der Tradition von Girls At Our Best und Strawberry Switchblade. Die A-Seite ist uptempo und hübsch eingängig, die Rückseite „Perfume“, balladesk und verführerisch, noch eine Klasse besser. Mehr bitte. 4,0
Nicht unterzukriegen sind die famosen FLESHTONES, obwohl sie ihre Live-Potenz schon lange nicht mehr auf Platte konservieren konnten. Auch „Gentleman’s Twist“ (Epitaph) macht da leider keine Ausnahme. Der Sound riecht nach Garage, und Peter Zaremba legt sich mächtig ins Zeug, doch ist das Material so dünn wie die Orgel, und selbst Alan Vegas Gastauftritt auf der Alternativfassung von „Twist“ vermag da nichts auszurichten. Ein paar Funken fliegen, allein das Feuer will nicht zünden. 3,0
Mit einer Split-7inch-EP (Blurr) treten zwei germanische Bands an: SOCCER aus Köln covern Pavements „In The Mouth A Desert“ noisy und arg lethargisch sowie das von Willie Nelson & Johnny Cash verfaßte „Highway Man“ indie-schräg und unaufdringlich. Gut. SUBTERFUGE aus Düsseldorfbestreiten die andere Seite mit Covers von REO Speedwagons greulichem Schlock-Rock-Stückchen „Keep On Lovin‘ You“ (verlangsamt und verschtammelt) und von Kirsty MacColls großartigem „They Don’t Know“ (entweiblicht und teutonisiert). Nicht so gut. 3,0 /2,0
Die BAMBI MOLESTERS schließlich kommen aus Kroatien (thanks for eliminating Berti’s talentless creeps!) und haben sich dem Instro-Surf der frühen Sixties verschrieben. Mit mehr als manierlichen Resultaten. „Bikini Machines“ (Kamikaze) leidet etwas unter muffigem Sound, ist sonst aber tadelloser state-of-the-art-Surf und ein weiterer Beweis dafür, daß Stile nicht altern. Nur Musiker. Und am schnellsten natürlich die zeitgeistigen. Diese 45 aus dem Lande des Torgottes Suker ist zeitlos cool. Mehr von Bambi, dafür bitte nichts mehr von Berti Molesters. 4,0