ROOTS VON JÖRG FEYER

Platten, in deren Credits den Indigo Girls und John Travolta (!) als Quell der Inspiration gehuldigt wird, werden in Nashville ja nicht alle Tage veröffentlicht. Weshalb „Wide Open Spaces“ (SMS) von den DIXIE CHICKS hier unbedingt Berücksichtigung finden muß, auch wenn das Debüt des Trios aus Dallas schon ein paar Tage älter ist. Natalie Maines, Emily Erwin und Martie Seidel sind nicht nur blonde, tall & handsome vulgo: der feuchte Traum jeder Marketing-Abteilung, sondern wissen auch den Slogan ihrer reaktivierten Label-Legende („Monument Is Artistry“) mit Leben zu fällen. Erneut erweist sich dabei, daß die fortwährende Nashville-Misere viel mit den (felschen) Songs zu tun hat. Diese Chicks wählen die richtigen – von Maria McKee, Radney Foster & George Ducas und der (noch) unbekannten Texanerin Susan Gibson. Das Ergebnis klingt klassisch und contemporary zugleich, bringt Pop-Appeal und Country-Roots ungezwungen zusammen. 4,0

Wenn Shania Twain der Gesang gewordene Imperativ ist, bleibt TRISHA YEARWOOD – dem Pathos des Titeltracks zum Trotz – auch auf „Where Your Road

Leads“ (Universal) gern dem Konjunktiv verpflichtet. Den Tagen also, an denen Herz und Hirn mal wieder nicht zusammenkommen wollen und bohrende Zweifel liebgewonnene Gewißheiten erschüttern („That Ain’t The Way I Heard It“). Der platinverwöhnte Country-Belcanto aus Monticello/Georgia kann dabei insbesondere mit fragilen Balladen („Never Let You Go Again“, „Heart Like A Sad Song“) auch höheren Ansprüchen genügen. 3,5

Neben der Yearwood gehört WADE HAYES aus Oklahoma zu den wenigen Newcomern der 90er Jahre, denen sogar Nashville-Renegat Waylon Jennings nicht seine Anerkennung versagen mochte. Nach ihrem halbwegs gefloppten „On A GoodNight“ steht der sensible Shooting Star des Jahres 1995 bereits mit dem Rücken zur Wand. „JVhen The Wrong One Loves You Right“ (SMIS) ist nicht gerade ein explosiver Befreiungsschlag geworden, doch sein voluminöser, geschmeidiger Bariton bleibt eine der ersten Adressen, wenn Sentimentalität („How Do You Sleep At Night“) und Selbstbetrug („If I Wanted To Forget“) maskuliner Provenienz verhandelt werden sollen. 3,0

Kein anderer als Dan Aykroyd gab ihm einst den Spitznamen „Monster“. Davon will MIKE WELCH jetzt nichts mehr wissen. Und damit sie ihn auch nicht länger babyface rufen, hat sich der US-Blues-Youngster erst mal einen Bart stehen lassen. Seine Musik hat auch auf dem dritten Album „Catch Me“ (Tone-Cool/In-akustik) wenig Bart. Songs wie „As Good As Gone“, der Titeltrack und das Cover von „Money“ dokumentieren sein Bemühen, auch auf Popund R&B-Einflüsse zu verweisen. Doch besser aufgehoben ist Welch nach wie vor auf angestammtem Blucs-(Rock-)-Terrain. Da spricht allein seine Gitarre die Bände, die seine Vocals (noch) nicht schreiben können. 3,0

„Catch Me“ ist dem verstorbenen Johnny Copeland gewidmet, der für musikalischen Nachwuchs aus eigenem Hause sorgen konnte. SHEMEKIA COPELAND – gerade 19 Jahre alt – gehört (siehe RS 6/98) in die Riege der jungen Blues-Ladies, die sich von der Verpflichtung gegenüber dem Erbe ihrer Väter (und Mütter) nicht einengen, sondern inspirieren lassen. Auf „Turn The Heat Up“ (Alligator/Edel Contraire) beeindruckt die in Harlem ansässige Copeland mit einer Stimme, deren Präsenz und Power schon mal an Etta James erinnern. Kein Wunder jedenfalls, daß sogar ein Joe Louis Walker gern vorbeischaute, um „My Turn Baby“ in einer Macho-Paraderolle auf die Shuffle-Sprünge zu helfen. Bei Papas „Ghetto Child“ assistiert Mike Welch an der Gitarre, noch als „Monster“ annonciert. Er wird’s verschmerzen. 3,5

Auch TUTU JONES aus Dallas hat Fußstapfen vor sich, wenn auch nicht ganz so prominente. Daddy Johnny B. pokerte immerhin schon mit Freddie King, für den er trommelte und Gitarre spielte. Auch auf seinem zweiten Album mit dem treffenden Titel „Staying Power“ (Bullseye/Zensor) zelebriert Tutu ausschließlich selbstverfaßten Texas-Blues der oberen Güteklasse, assistiert etwa von den Memphis Horns. 4,0

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