GLOBAL VILLAGE :: von KLEIN-JOSCH-MÜLLRICH
Der Lenz ist da, und mit ihm machen sich auchjosch, Klein sowie Mütlrich zurück auf den Weg nach Germanisten. Unsere Zelte in Nordafrika liegen bereits verwaist und unter Sanddünen begraben in den Tiefen der Sahara, erkaltet sind die Wasserpfeifen, wartend auf den nächsten Winter.
Wir machen Station in Tanger und wundern uns über die lange Schlange vor dem angesagten CD-Shop unten in der Medina. Wir stellen uns auch an. Grund: NOUJOUM OUAZZA, seines Zeichens Mandolincellist und Sänger der legendären marokkanischen Lern Chaheb, seit acht Jahren auch Gitarrist und Stimme bei den Dissidenten, tritt mit seinem ersten Solo-Album in die Fußstapfen von Hamid Baroudi, der sich ja schon seit längerem auf dem globalen Marktplatz tummelt Das erstaunlicherweise nicht zuerst in Nordafrika – dort wurde es nur produziert -, sondern in Berlin veröffentlichte Werk hört auf den Namen „Sleepless In Tanger“ (United One/FMS). Daß einige Nummern an die arabische Phase der Dissidenten erinnern, liegt auf der Hand, jedoch zieht Ouazza zusätzlich sämtliche Register von Ambience über rauhe Berbergesänge bis Hip-Hop. Er beweist, daß die Straße von Gibraltar nicht eine musikalische Einbahnstraße von West nach Ost sein muß. Aber das wären alles nur hehre Worte, wenn die Musik nicht so abginge, wie sie es tut – dem Allah sei Dank. 4,0
Weiter zum Postamt von Tangen Nachdem es eine penible Kontrolle durch den marokkanischen Zoll über sich ergehen lassen mußte (Gott sei Dank war kein Alkohol in der Sendung, da verstehen die hiesigen Rauschgiftfahnder überhaupt keinen Spaß), können wir unser Päckchen aktueller CDs in Empfang nehmen und verziehen uns in das lauschige Cafe‘ Zero Zero, um dem neuesten Stand der Dinge zu lauschen.
Diesmal kommt die Musik von Westen nach Osten: Wie sich die Amis 1000 und eine Nacht vorstellen, erfahren wir durch JAMSHIED SHARIFIs Album „A Prayer For The Soul Of Layla“ von (Exil/Indigo), das unter Einsatz offensichtlich neuester Studio-Technologie entstand – über klassische Oud-Klänge nach Art von Roman Bunka oder Rabih Abou Khalil bis zu persischen Klagegesängen zieht er so ziemlich alle Klangregister des nahen und mitderen Orients. An Hassan Hakmouns Gesang kann sich sogar Khaled noch eine Scheibe abschneiden. Und über die Stimme der Grammy-belohnten Paula Cole muß man ohnehin kein Wort verlieren: professionelle Amis halt. Trotz gewisser Ähnlichkeiten rettet sich das Werk an den entscheidenden Stellen letztendlich doch vor Vergleichen mit Enigma und Konsorten. Und das muß wohl nicht nur an der teuren Aumahmetechnik liegen – über die verfugen ja die anderen auch. Jamshied hat alle gängigen Archetypen der Welt-und Pop-Musik drauf und läßt es uns gnadenlos hören. Bei all der amerikanischen Arabophobie ist es fast ein Wunder, daß dieses Album in New York entstanden ist Respekt und Turban ab! Auch hier dürfen wir getrost etwas tiefer in den großen Sternenkasten greifen: 4,0
Daß auch Indien im World-Wide-Web der Musik vertreten ist, verdanken wir nicht zuletzt dem Ende der 70er Jahre von den germanischen Globetrottern Embryo nach Europa verschleppten Ausnahme-Percussionisten TRILOK GURTU. Auf dem Innenblatt seiner neuesten CD „Kathak“ (Escapade/EFA) sehen wir den Meister höchstselbst inmitten einer riesigen Rumpelkammer auf Dingen herumdengeln, die sich erst auf den zweiten Blick als Percussions-Instrurnente entpuppen. Was soll man sagen? Neneh Cherry ist mit dabei, auch Mama Gurtu schwingt das Stimmband, und Steve Lukather (jawohl, der alte Toto-Täter) greift in die Sahen; viel name-dropping also auf der Personalliste. Nach der hier dargebotenen globalen Rezeptur kann man sich sogar den guten alten Jazz-Rock noch einmal zu Gemüte fuhren: viel Indien, auch etwas Nordafrika, eine Prise Pop, dazu etwas Rock und eine gute Portion Jazz – Koch Gurtu erfüllt mal wieder alle Erwartungen und bewirtet nicht nur seine puristischen Gäste. Zuviel Würze, zuviel Hautgout womöglich? Nur dem Geschmäckler! Guten Appetit wünschen wir also allen Mulikulti-Gourmands. 3,0