ALTERNATIVEN von Michael Ruff

Anfang dieses Jahrzehnts definierte das britische Too Pure-Label den Stand semi-eLektronischer Pop-Avantgarde. Von den damaligen Bands haben Stereolab sich durchgesetzt, Laika Aufmerksamkeit erregt, nur PRAM blieben weitestgehend unbeachtet. „The North Pole Radio Station“ (Domino/RTD), ihr viertes und bislang bestes Album, sollte den Engländern nun endlich die verdiente Anerkennung bringen. Die Songs sind von skurriler Schönheit und elegantem Swing, dazu kommt eine Sängerin namens Rosie, deren Lyrik und Stimmlage irgendwo zwischen Renate Krötenschwanz und Alice im Wunderland anzusiedeln ist. Unterm Strich bleibt eine der heutzutage seltenen Platten, die völlig eigenständig klingt und kaum Querverweise zuläßt. 4,0

Auch THE JESUS Ll

ZARD sind lange genug dabei, daß ihnen der Durchbruch zu gönnen wäre. Aber die einstigen Underground-Helden um den durchgeknallten Sänger David Ybw gehen auf ihrem zweiten Major-Album „Blue“ (Capitol/EMI) mit ungebremster Energie zu Werke und machen wie immer wenig Kompromisse – gut so, denn somit bleibt uns eine der wenigen Rockbands erhalten, die ohne Blaupausen und Anbiederungsversuche auskommen. 4,0

Seit den Erfolgen von Sleater-Kinney ist lesbischer Power-Pop (oder auch Queercore) kein kontroverses Thema mehr. Als brreiter gelten Team Dresch, doch seit deren Haupt-Songschreiberin KAIA WILSON ausgestiegen ist, ist von ihnen wenig zu hören. Auf ihrem zweiten Solo-Album bleibt Kaia ihrem Weg treu: „Ladyman“ (Vertrieb: Grand Harbour/Hausmusik) bringt einprägsame Songs zur akustischen Gitarre, sparsam begleitet und aufgeschlossen für Keyboard-Experimente. Und ihre nachgestellte Stevie Nicks-Pose auf dem Cover beweist, daß die Platte trotz bekennerischer Inhalte nicht frei von Humor ist. 3,5

Mit „Sound Verite“ lieferten MAKE UP1997 eine der aufregendsten Platten des US-Underground ab, nun steht genau zwölf Monate später bereits der Nachfolger im RegaL Leider setzt das Quartett den Stil des Vorgängers auf Jn Mass Mitid“ (Dischord/EFA) nicht fort: Statt aufreizend spröden Grooves ist die Rückkehr zu schnellerem Trash-Punk zu vermelden. Das steht der Band zwar auch nicht schlecht, nur ist eben diesmal statt eines sensationell gut gelungenen Experiments eher Solides zu hören. 3,5

Nachdem Kim Gordon (Sonic Youth) kürzlich mit ihrem Seitenprojekt Free Kitten ein überaus unterhaltsames Album vorlegte, ist man versucht, vom Bandkollegen Lee Ranaldo ähnliches zu erwarten. Doch weit gefehlt: „Amarillo Ramp“ (Grand Habour/Hausmusik) versammelt lediglich einige der Klanginstallationen, die der Gitarrist in den letzten Jahren als Soundtracks für Kurzfilme und Kunstausstellungen aufführte. Ohne optische Unterstützung wirken diese oftmals ziellos und langatmig, worüber auch das sehr schöne Lennon-Cover („Isolation“) am Schluß nicht hinwegretten kann. 2,5

Das Kranky-Label ist spezialisiert auf ambiente Klänge, sprich: Musik, die so eben gerade die Wahrnehmungsgrenze erreicht. Mark Nelson, Frontmann der Kranky-Band Laßradford, hat unter dem Namen PAN AMERICAN ein Solo-Album eingespielt, das den Hörer gelegentlich mit etwas Minimai-Techno anzustoßen vermag und ihn somit nicht gänzlich zu ewiger Trance verdammt. (EFA,3,0 ) Bei dem Michigan-Duo WINDY & CARL und ihrem Werk „Depths“ hingegen muß man sich ständig selbst daran erinnern, überhaupt eine CD eingelegt zu haben (Import, 2,0 ).

Ein amerikanischer Plattenvertrag für eine Schweizer Band? So etwas kommt nicht allzu häufig vor, aber bei den Avantgardisten vom Matador-Label öfter als anderswo – gerade eben haben sie die Holländerin Solex herausgebracht. Grund genug also, mal intensiv in die neue Platte von SPORTSGUITAR reinzuhören. In der Tat klingt „Happy Ahready“ (Matador/RTD) überaus charmant bei dem Versuch, amerikanischem Garagen-Pop im Stile von Jonathan Richman bis Velvet Underground das Wasser zu reichen. Und die schlüpfrigen Texte, die hier in bestem Schwyzer-Englisch vorgetragen werden, dürften nicht nur jenseits des Atlantik für Heiterkeit sorgen. 3,0

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