ROOTS :: von Jörg feyer
Sängerinnen, die solo profiliert dastehen, müssen nicht zwangsläufig prächtig harmonieren. Um so schöner, wenn sie es doch können: MARCIA BALL, IRMA THOMAS & TRACY NELSON führen den Beweis auf „Sing It!“ (Rounder/In-Akustik) hinreichend und streckenweise hinreißend. Was auch damit zu tun hat, daß die drei bei ihrem munteren Streifzug durch Memphis-Soul und New Orleans-Second Line nicht einfach abgenudelte Gassenhauer wiederkäuen, sondern gemeinsam mit Dan Penn, Sarah Brown, Donnie Fritts und Steve Cropper so erfolgreich nach neuem Material Ausschau hielten. Bester Refrain: „I ain’t no home maker – I’m a love maker™“ Nicht nur dafür gibt’s satte 4,0.
Die kleine Zeitreise des Monats führt uns runde 23 Jahre zurück, als Country-Rock noch keine Schablone, schon gar kein Schimpfwort, sondern eine Art Hoffnungsträger war. Anlaß sind THE WOODYS mit ihrem ebenso betitelten Debüt (Rounder/In-Akustik). Michael und Dyann haben die richtigen Songs (Buddy 8C Julie Miller, Chris Hillman und Steve Earle) für ihre gülden schimmernden Everly-Harmonien. Und mit Ex-Emmylou-Harris-Gefahrte Brian Ahern als Produzent und Musikern wie Albert Lee und AI Perkins zweifellos auch die richtige Studiomannschaft. So etwas muß am Big Business in Nashville vorbeigehen: Too country for „Country“ halt! Aber auch nicht ganz sooo sensationell, wie der Hype glauben machen will. 3,5
Bisher als feste Größe der Club-Szene in Miami geführt, will JOLYNN DANIEL nun von Nashville aus und mit einem großen Management im Rücken auf breiterer Basis reüssieren. Das könnte klappen, wenngleich sich die Songwriterin und Gitarristin auf „Cosmic Daughter“(Rebel Sky/ChiU Music) noch nicht so recht entscheiden kann, ob sie eher die Roots-Fraktion bedienen oder in der überfüllten „Alternative“-Liga mitmischen will. Beruhigend zu wissen, daß sie Material und genügend Vocal-Flair für beide Optionen parat hält. 3,0
In der zweiten Folge der Reihe THE BEST OF AUSTIN CITY LIMITS geben sich einige „Legends Of Country Music“ (SMIS) die live mitgeschnittene TV-Ehre aus den Jahren 1977 bis 1988. Dieses Prädikat stapelt mal nicht zu hoch: Von Bob Wills‘ reformierten Texas Playboys über Loretta Lynn, Buck Owens, Doc Watson, Roger Miller und Faron Young bis zu den erst kürzlich verstorbenen Floyd Gramer und Carl Perkins gibt’s Greatest Hits en masse. Nur Fats Domino will nicht ins Genre-Bild passen. 3,0
Im reifen Alter von 85 Jahren als ein newsigning gehandelt zu werden: So etwas gibt es wirklich nur in der Welt des Blues. PINETOP PERKINS ist allerspätestens seit den späten 60er Jahren und seiner langjährigen Liaison mit Muddy Waters eine feste Blues-Piano-Größe. Sein Verve-Einstand „Sweet Black Angel“ (Motor) lebt nicht nur von bekannten Boogie-Qualitäten und einem kauzig-nasalen Vokalstil: Alte Gefährten wie Bob Margolin und neue Bekannte wie Duke Robillard und Kaz Kazanoff setzen energisch Gast-Akzente. Als Überraschungsmoment gefällt das gern genommene „Look On Yonder Wall“ in einer Country-Blues-Variante ohne Piano. 3,5
Den Texas-Blues-Freunden sollten MIKE & THE MELLOTONES und deren gleichnamiges Album (Stumble/Indigo) Freude machen. Das holländischeTrio wandelt mit Nachdruck auf den Spuren von Stevie Ray und Jimmie Vaughan. Cover von Howlin‘ Wolf und Junior Wells ergänzen die soliden Genre-Übungen von Leader Mike Donkers. Und das Babyface Mike Welch sorgt als Gast auf fünf der Tracks für zusätzlichen Schub. 3,0
Die TOMMY SHREVE BAND spielt ihren „Bon Ton Boogie“ (Hermansi -TIS) auch schon mal ohne die Lokalkoloraturen, die man aus Louisiana erwartet. Leider bleiben Shreves Fähigkeiten als Autor hinter denen als R&B-Interpret zurück. Ein paar Cover-Versionen mehr hätten in diesem Fall – ausnahmsweise mal – gar nicht geschadet. So aber: Schade, schade, Tommy Shreve. 2,5