Led Zeppelin :: BBC Sessions
Einmal vom nicht zu entschuldigenden Tatbestand, daß dieses Doppelalbum fast verpennt worden wäre, abgesehen, heißt es nun für die Stones-Fraktion, zum Beißholz zu greifen. Sagen wir’s mal so: Das, was die Rolling Stones zu Beginn ihrer Karriere musikalisch schufen, war im rechten Licht betrachtet – nichts anderes als ein Neuaufguß amerikanischer Blues- und R&B-Klassiker, verpackt in eine zeitgemäße Beat-Camouflage und für ahnungslose Ami-Kids gar ein Re-Import der eigenen Roots-Klänge.
O. K., Led Zep betraten zwar ein paar Jährchen später die Bühne, bedienten sich auch aus der Schatztruhe, welche Robert Johnson, Muddy
Waters & Co. randvoll hinterlassen hatten, machten daraus aber ein so eigenes, so urgewaltiges Ding, daß der Titel der Led Zep-Biographie „Hammer Of The Gods“ den Nagel – voller geht’s kaum – auf den Kopf trifft. Noch ein paar Vergleiche gefällig? Bitte sehr: Als Keith Richards noch dabei war, der Magie der Akkorde C, F, G per Wandergitarre auf die Spur zu kommen, war Jimmy Page (nach „Big“ Jim Sullivan) schon die Nr. 2 unter den Session-Gitarristen Englands. Die Diskussion, wessen Stimme (Jaggers oder Plants) nicht von dieser Welt ist, dürfte sich seit dem vokalen Urknall auf „Whole Lotta Love“ wohl erübrigen, und warum selbst Trommel-Irrwisch Keith Moon (er hatte übrigens die Idee zum Luftschiff-Namen) zu John „Bonzo“ Bonham ehrfürchtig aufblickte, ist nach „Moby Dick“ keine Frage mehr. Und der Beitrag, den der enigmatische, aber geniale John Paul Jones (für Unwissende nur der tumbe Bassist) als Arrangeur zu Led Zeps Sound-Apokalypse beisteuerte, ist allein eine Story für sich wert.
Waren Led Zep-Studioalben – die von der durch die extreme Polarisierung der zwei Hauptakteure (Plant auf der Suche nach dem „Herr der Ringe“, Page im Banne des Black-Magic-Gurus Aleister Crowley) bedingten wirren Ausrutscher ließen andere Songs, die in jeder Hinsicht ans Limit gingen, stets verzeihen monumentale Statements in Cinerama-Sound, so musizierte die Band live in einer Liga für sich. Jeder Auftritt -die durch Drogen oder Alk bedingten Peinlichkeiten zählen nicht – hinterließ ob seiner ultimativen Intensität den Eindruck, hier würden vier Musiker ihr definitiv letztes Konzert absolvieren und noch einmal alles aus sich herausholen.
Das, was Led Zep im März und Juni ’69 (in Mono und auf CD 1) sowie im April ’71 (Stereo und auf CD 2) vor handverlesenem Publikum für diverse BBC-Shows (u. a. John Peels „Top Gear“) live einspielten, soll fast die Mauern der betagten Rundfunkanstalt zum Einsturz gebracht haben, hätten nicht aus dem Büroschlaf gerissene Tbntechniker in Panik alle Potentiometer auf 0,5 gedreht. Led Zep fuhren all ihre schweren Geschütze auf, deren Donner auf ewig nachhallen wird – von „You Shook Me“ über „Communication Breakdown“ bis zum obligatorischen „Whole Lotta Love“. Und wenn das Erdbeben der CD 1 auf dem Seismometer die Richter-Skala nach oben noch viel offener werden läßt, dann ist CD 2 das Nachbeben in Stärke 7.
Das Schlußwort gebührt dem englischen Kollegen Mat Snow, denn treffender läßt’s sich nicht auf den Punkt bringen: „Ein Fingerzeig, der zur rechten Zeit kommt. Denn falls ihr plant, euch selbst zu den Kings Of Rock’n’Roll zu krönen, dann habt ihr hier die Meßlatte, die’s zuvor zu überwinden gilt!“ 4,5