Malcolm Ross – Happy Boy
Noch so einer, der im Heimstudio die schönsten Momente der Vergangenheit aufbereitet, ohne dabei die Gegenwart vollkommen aus dem Blick zu verlieren. Wie Edwyn Collins, für dessen Orange Juice er früher kurzzeitig mal gearbeitet hat, feilt Malcolm Ross ganz unaufgeregt an einem Future-Retro-Pop, der großzügig allen möglichen Phantastereien und Basteleien Platz einräumt: altmodischem Synthesizer-Gequietsche, Jazz-Vibes vom Vibraphon, antik anmutender Turntable-Artistik.
„Happy Boy“, das zweite Solo-Album des Schotten, wimmelt also vor
Gimmicks und Gadgets, doch das alles kann nicht davon ablenken, wo sich Malcolm Ross sehnsüchtig hinwünscht: nach Memphis. Oder an jenen fiktiven Ort, den man auf der Insel für Memphis hält Des Sängers Timbre federt phantastisch, wenn er in den dunklen Registern kramt, und daß es ihm manchmal unter all den gebrochenen Herzen wegbricht geht natürlich in Ordnung – wie in der wunderbaren Ballade „Heartbroken All Over Again“. Da beweist sich Ross als Elvis-Imitator, der seine Vergangenheit beim Post-Punk-Ensemble Josef K. nicht abstreifen kann und will.
Ein weiterer Höhepunkt auf diesem an Höhepunkten nicht eben armen ^ferk: Der hochverehrte Tragöde Barry Adamson, der seit einigen Jahren nicht mehr so gern seine Bude verläßt, raunt für die Nummer „Lunchbreak“ ein paar urbane Impressionen aus der Feder Walter de la Meres durchs Telefon, während das Becken gespenstisch scheppert Für die Songs auf „Happy Boy“ muß niemand aus dem Haus gehen, die ganze Welt paßt hier nämlich in ein kleines Studio. Lassen Sie sich also nicht davon täuschen, daß Malcolm Ross für Fotos gern mit Gitarrenkoffer auf dem Bahnsteig rumsteht Schließlich ist Fernweh kein Gefühl, das in die Ferne führt. 3,5