REPLAYS2 :: VON BERND MATHEJA
Die 1437. KINKS-Kopplung liegt vor, für 99 Prozent Ramsch-Vorgänger kann sie nichts. Jetzt hält das „Prinzip Hoffnung“ nun Einzug. Denn: „The Singles Collection“ (Casüe ESSCD 592), das sind 25 ehemalige Vinyl-Pretiosen, die endlich klanglich restauriert wurden. Warum mal wieder das grandiose „Shangri-La“ fehlt und „Days“ und „Lola“ in Mono laufen, weiß niemand. Dennoch überzeugt das gesäuberte Angebot, und schließlich hängt eine Bonus-CD mit dran: „The Songs Of Ray Davies -Waterloo Sunset“, die Begleitmusik zu einem just erschienenen Buch des Meisters. Hier finden sich noch weitere Single-Tracks (u. a. der Titel-Song in Stereo, „Mr. Pleasant“, „Drivin'“), Album-Stücke und Unveröffentlichtes. Der Doppeldecker, und das ist die beste News, ist ferner ein Appetizer: Ab Anfang 1998 werden die ersten zehn Kinks-Alben, vollgestopft mit Extras, in remasterter Form ausgeschüttet. „Afternoon Tea“ (hier auf CD 2) gibt einen Vorgeschmack darauf, welch hohes Klang-Niveau da auf uns zukommt bzw. was für ein multschiger Murks bislang im Umlauf gewesen ist. 4,5
Als die PIRATES sich 1976 reformierten, jubelten sogar viele Punks. Denn die drei Mittelaltrigen knallten ihrem Publikum einen R&Bgefarbten Rock’n’Roll mit Rowdy-Faktor 100 vor den Latz. Vor dem Kraftwerk (Johnny Spence/b, Frank Farley/dr) stand der Gigant: Mick Green, Vorbild von Wilko Johnson (Dr. Feelgood) und Bill Carter (Screaming Blue Messiahs) als einer der ganz wenigen Killer-Gitarristen, die Lead & Rhythmus genial in einem Abwasch besorgten. „Out Of Their Skulls“ (Westside WESD 201/Contraire) ist Vollbedienung pur: Das 2-CD-Set enthält die gleichnamige LP von 1977, die Album-Nachfolger „Skull Wars“ und „Happy Birthday, Rock’n ‚Roll“, EPs und Singles aus allen Ecken Europas sowie Extra-Titel; alles in allem 51 Haudruff-Nummern mit dem verdienten Gütesiegel 4,0
Wenn Eric Clapton in Seide den Schmutz-Blues vom Acker gibt, ist das zumindest befremdlich. Auch Blues mit deutschen Texten wölbt so manchem Puristen die Zehennägel. Nix Vorurteil; nein, nur manchmal klemmt es einfach, weil das Kanten-Deutsch wie aufgepfropft wirkt, nicht in den Songs steckt DAS DRITTE OHR aus Hildesheim hatten 1977 ein wunderbar unbehauenes, englischsprachiges LP-Debüt hingelegt („Blues And Boogie Pur“). Das gibt es leider nicht auf CD. Umgehoben wurden statt dessen nur „Zahltag“ (eastwest 0630-19580) und „Himmel oder Hölle“ (0630-19581). Instrumental solide und gefühlvoll, mit saustarker Harmonika und einem Sänger Udo Wolff, der wie Lindi aus der Kniekehle (und noch tiefer) grunzt. Wegen strikt persönlichem Schaudern, was die Sprache betrifft, fairerweise ohne Wertung.
Kaum eine UK-Rock-Band (außer Uriah Heep und Barclay James Harvest) hat zu Lebzeiten von der Journaille so oft auf die Omme gekriegt wie ATOMIC ROOSTER. Ihre Musik, fünf frühe Alben, zwei Hits („Tomorrow Night“, „Devil’s Answer“), reizt gerade deshalb zur Wiederbeschäftigung. Die Doppel-CD „In Satan’s Name -The Definitive Collection“ (Snapper SM-DCD 128/edel; nur Originale!) bestätigt viele Rezensenten der frühen 70er Jahre. Der Tasten-Egomane Vincent Crane (Selbstmord 1989) trieb seine diversen Statisten oft durch stilistisch völlig krude Materialsammlungen mit Elementen aus Hardrock, Pseudo-Soul und Jazz-Imitaten. Sehr häufig endete das in hyperhektischen, fast hysterischen Klangabfolgen, Brechstangen-Stopps und übermästeten Melodiebögen. Gegen dieses wohl einmalige Sound-Gemisch vermochten selbst aggressive Spitzen-Shouter wie Peter French und Chris Farlowe kaum anzusingen. Crane konstruierte alles platt, Klaviere müßten vor ihm gezittert haben wie der Lokus aus der TV-Reklame vor den falschen Aroma-Bonbons. Fazit: Das alles klingt heute noch viel verrückter als damals, also – reinhören, wundern oder brechen 3,5
Schon zu Vinyl-Lebzeiten galt „Live At The Padget Rooms Penarth“ (BGOCD 365/Contraire) als Rarität. MAN hatten 1972 lediglich 5000 Exemplare der LP mit den drei Tracks (40 Minuten) fertigen lassen, die im Handumdrehen weg waren. Die vielleicht amerikanischste aller UK-Bands (Quicksilver ließen gern grüßen) badete hier in ihrem Element mit „progressiven“ Sound-Exkursionen auf Gitarren-Basis. Aus heutiger Sicht, ohne dabei das Können speziell von Deke Leonard schmälern zu wollen, eher eine Selbstzweck-Reise ins Belanglose, recht Banale. Solistisch sicher über dem Schnitt, doch letztlich bloß ein ganz schön langatmiges Gegniedel, aber echt. 2,5
Trotz einiger Hits wurden die MARKETTS von der US-Westküste nur leidlich populär. Die nicht eben gängige Spezialität der Surfund Rock’n’Roll-Combo waren TVund Filmmelodien. Während der Frühsechziger hauten sie mit Tröt-Sax und Twang-Gitarren solche Themen in Serie heraus, u.a. „Batman“, „The Avengers“, „Out Of Limits“, „A Touch Of Velvet – A String Of Brass“ (Beat-Club!). „The Best Of The Marketts“ Warner Bros. WPCR-1388/TIS, Japan-Import) kommt zeitlos gut, mal schön schräg, dann wieder mit Easy-Listening-Tbuch.3,0 Er blieb eine Art Schattenmann, der in London lebende Südafrikaner JOHN KONGOS, der 1971 mit zwei hochrhythmischen, unkonventionellen Hits in die UK-Charts vorstieß („Tokoloshe Man“, „He’s Gonna Step On You Again“, beide A4). Seine LP „Kongos“ (Repertoire REP 4662/Contraire, 4,0) wurde noch um acht sehr gute Single-Tracks erweitert – wie auch viele der LP-Nummern auf halbakustischem Fundament. Zur Top-Begleitcrew gehörten hier neben anderen Caleb Quaye, Ray Cooper, Dave Glover, Lol Coxhill und Roger Pope. Der schnell wieder abgetauchte Multi-Instrumentalist aus Johannesburg darf getrost zu den unscheinbarsten Innovativkräften der englischen Frühsiebziger gezählt werden. Wo ist Kongos geblieben!