REPLAYS2 :: von Bernd matheja
Von THEM existieren insgesamt 51 Titel bzw. Versionen. Dachte man bisher. Auf „The Story Of Them, feat. Van Morrison“ (Deram 844 813), der bis dato umfassendsten Anthologie, hat’s nämlich so einige Überraschungen. Zwar fehlen „Mighty Like A Rose“ (beabsichtigt, weil nur ein Demo) und „Little Girl II“, dafür gibt’s Unveröffentlichtes, genau 20 Stereo-Tracks und völlig neue Fassungen z. B. von „I Gave My Love A Diamond“, „Richard Cory“ oder „Call My Name“. Der Doppeldecker präsentiert eine der besten Midsixties-Kapellen überhaupt, die auch durch ca. 1000 Personalwechsel nichts an Kreativität, Klasse und Glaubwürdigkeit einbüßte. 49 Tracks, 141 unverzichtbare Minuten – mit diversen Klassikern von „Gloria“ über „Mystic Eyes“ bis „Here Comes The Night“, mit Super-Slowies wie „You Just Can’t Win“, „Friday’s Child“, „My Lonely Sad Eyes“ und attraktiven Covers ä la „Richard Cory“, „I Put A Spell On Yobu“ und natürlich „It’s All Over Now, Baby Blue“. Alles süperb bearbeitet, erstmalig von den Ur-Bändern gezogen und in mega-fetten Hochdruck-Sound. Die artverwandten frühen Stones-Aufnahmen sind dagegen, nur mal als Beispiel, ein Haufen unverschämter Sondermüll. 4,0
Seine partiell grandiosen Scheiben mit Doll By Doll gibt es zwar noch immer nicht auf CD. Dafür liegt jetzt offiziell „Controt“ vor, eine frühe, damals nur in Spanien rausgebrachte Solo-Arbeit von JACKIE LEVEN aus dem Jahr 1971, als er sich noch John St. Field nannte. Unter diesem Namen war schon 1994 eine halbseidene CD-Ausgabe im Umlauf. Der Schotte ließ bereits als 20jähriger anklingen, wohin später die akustische Reise gehen würde – mit starken Folklore-Einflüssen, die sein aktuelles Schaffen bestimmen, dazu erste Anzeichen des Doll By-Doll-Sounds, allerdings noch mit halber Kraft und ohne deren Anflüge aggressiver Grauschleier-Stimmung. Ein unspektakuläres Frühwerk (u. a. mit Phil Ryan und John Haines), eher etwas für Komplettsammler als ein verstecktes Seventies-Bonbon (CookingVinyl). 2,0
Die letzte große Lücke im Back-Katalog von CHRIS FARLOWE ist geschlossen: „The Chris Farlowe Band – Live“ (Out Of Time Productions CDEC 7/über in-akustik) aus dem Sommer 1975 wurde jetzt auf CD umgehoben. Sie zeigt den Shouter dort, wo er häufig am intensivsten war – auf der Bühne. Nach seiner Mitwirkung bei Colosseum und Atomic Rooster stand Farlowe in jenen Tagen auf dem musikalischen Abstellgleis. Ein Fan wurde sein neuer Manager, und zwei ins Blaue angesetzte Konzerte in London (Marquee, Lyceum) gerieten zu Überraschungsknallern. Inszeniert mit einer Top-Band um Albert Lee (g), Pat Donaldson (b), Gerry Conway (dr), Jean Roussel (kb) und den „Gonzales Horns“ (Chris Mercer, Ron Carthy). Balladen wie „Only Women Bleed“, „Rhyme And Time“ und „Handbags 8C Gladrays“ überragen, bei „After Midnight“ machte Lee sämtliche Leinen los. Fazit: dampfender, souliger UK-Sound der 70er Jahre ohne Verfallsdatum, angereichert um einen Bonus-Track als Lehrstück für eine Cover-Version: „We Can Work It Out“, wie man es nie vorher und nie mehr danach gehört hat Runde Sache: 4,0
Nicht für penible Sammler, sondern eher für Gelegenheitskäufer gefertigt wurde „The Greatest Hits“ von den RATTLES (Mercury 536 268). Okay, weil gerade mal keine halbwegs gescheite Compilation der Hamburger auf dem Markt ist und 20 Titel (bis 1970) ein ordentliches Angebot sind, noch dazu in wirklich gutem Klang. Alle Chart-Hits sind vertreten, die Ausstattung bleibt, dem Zweck der Nferöffentlichung angemessen, hinter den gewohnten Standards zurück. Daß ein Uralt-Gassenhauer wie „Mashed Potatoes“ oder der BSehen-Klassiker „I Will Always Stay Your Friend“ ausgespart wurden, muß man bei einem solchen Spar-Projekt wohl hinnehmen. Dafür hat’s das relativ vergleichsweise verkoppelte „Lady Love“, auf dem der damals gerade amtierende Sänger dem Spooky Tooth-Kollegen Mike Harrison ähnlicher ist als der sich selbst. Solide: 3,0
Zu den absoluten Schmankerln des amerikanischen Rhino-Labels gehört die unregelmäßige Reihe „Golden Throats“. Jetzt ist Folge 4a, „Celebrities Butcher The Beatles“ (Rhino 72593/Contraire). Garantie dieser Scheiben: Die Titel halten, was sie versprechen! Bekannte Nasen, die sich a) versehentlich ans Mikro verirrten oder b) Musik-Promis, die mal so richtig in die Geschmacks-Scheiße fassen wollten, überbieten sich diesmal in der Mißhandlung von Lennon/McCartney-Urgestein. TV-Raumfahrer William Shatner gibt den Idioten mit »Lucy In The Sky With Diamonds“, Telly Savalas grunzt „Something“, die ewig 39jährige Mae West schwächelt einen JDay Tripper“ hervor, Hollywood-Star Joe Pesci quäkt und quiekt „Got To Get You Into My Life“ wie Edith Hankke mit Mandelentzündung. Rhino-Werbung: „Play Shatner backwards and you may learn Paul is dead; play it forward and you’ll wish you were.“ So isses. 3,0
Als Steve Winwood die SPENCER DAVIS GROUP verlassen hatte, schienen der Band Aushängeschild und kreativer Bogen entzogen, selbst Hardcore-Fans verweigerten die weitere Gefolgschaft. Abgesehen von „Mr. Second Class“ (eben!) blieben die Hits aus. Die Gruppe wurde bis Mitte der 70er Jahre mehrfach umbesetzt, wobei gute Leute wie Eddie Hardin, Ray Fenwick oder Charlie McCracken nie ganz aus dem übergroßen Winwood-Schatten treten konnten. Die neuen Formationen versuchten den stilistischen Spagat zwischen R&B, Pop, Psychedelia und Rock – qualitativ stets in Ordnung, doch ging die stringente Linie dabei in die Wicken. Mehr als Lückenbüßer waren die Alben „With Their New Face On“ (Repertoire REP 4684, acht Extra-Tracks, darunter auch die deutschsprachige Single „Der Wassermann“), „Living In A Back Street“ (REP 4682, zwölf Extras) und „Gluggo“ (REP 4683, sechs Extras) jedoch allemal: im Schnitt deshalb immerhin 3,0 für alle drei dieser Spencer-Scheiben.