Sweet 75; The Cramps – Big Beat From Badsville :: Geffen/Universal; Epitaph/Semaphore
Die Ruine brennt noch. Auch der dritte Teil von Nirvana, Bassist Krist Novoselic, hat nach langer Zeit das Debüt gewagt. Der Exil-Serbe kooperiert mit einer phänotypisch furchterregenden Sängerin mit dem furchterregenden Namen Yva Las Vegas, die den Cramps Ehre machen würde. Die Venezuelanerin soll sonst für heimische Folklore bürgen und bürgt hier für die Abwehr des Nirvana-Plagiatsverdachts. Sweet 75? Das stammt natürlich aus dem Werk eines Poeten (nicht Burroughs) und bedeutet überhaupt nichts.
Musikalisch ist das alles durchschnittlicher Rock ohne nennenswerten Punk, ohne Bombast und Schlock, aber auch ohne erinnerungswürdige Melodien. Man ahnt den Anteil, den Novoselic (Baß und Gitarre) an Cobains Songs hatte (keinen) – und auch, daß Frau Las Vegas hier die stärkere Triebkraft ist Angenehm sinnlos erklingt eine „Ode To Dolly“, gemeint ist die Parton: „I want to be a country singer/ But I don’t have big hair.“ In „La Vida“, fast unglaublich, gibt es plötzlich Latino-Swing mit schmierenden Bläsern – nicht der einzige Ausflug ins Süd-amerikanische. Halb bizarrer, halb biederer Trash. So ist das Album.
Man hatte ja gar nichts mehr erwartet von Krist Novoselic, der sich seit dem historischen Ende von Nirvana mal in der Heimat der Vorfahren engagierte, dann gegen den Zensurwahn in Amerika einschritt „Sweet 75“ ist ein Album, das die Welt nicht braucht. Novoselic ist jetzt wieder am Anfang: in der Garage. Ein Genie aber kommt nicht nochmal vorbei.
Wieviel inspirierter, wilder und schmuddeliger geht es dagegen in der Garage der Cramps zu! Die alten Helden des Rockabilly-Trash sind nämlich wirklich und wahrhaftig bescheuert, und „Big Beat From Badsville“ ist nicht einen Deut anders als irgendein Cramps-Album. Die Cramps sind wie ein fest installierter Wohnwagen.
Lustigerweise nennt man jetzt, nachdem „Drum 8C Bass“ an Faszination verloren hat, Musik mit elektronischem Klopfen „Big Beats“. Wieviele solcher Erfindungen mögen Poison Ivy und Lux Inferior in ihrer ungefähr hundertjährigen Karriere wohl ignoriert haben? Big beat bedeutet bei den Cramps und in alle Ewigkeit: Krach und Sex und Lärm und ausgesucht schlechter Geschmack. „Well if I had a brain I’d be dangerous for sure“, zetert Lux, und die Gitarren singen Rock ’n’Roll.
Der Trommler, auch lustig, heißt hier übrigens Harry Drumdini.