Coolio – My Soul :: Tommy Boy/eastwest
Erstmal klingt das wie ausgedacht: Ein Nürnberger Orgelheini aus dem 17. Jahrhundert bescherte dem HipHop seinen Sommerhit. Obwohl damit auch rechnen konnte, wer Coolio auf der Rechnung hatte. Denn der Rapper, früher Gangster und heute Aufklärer, hat ja schon immer als Mittler zwischen Halbwelt und humanistischem Seminar fungiert. Was einige erstaunliche Ehrerbietungen zur Folge hatte. Sein Welthit „Gangsta’s Paradise“, eine Ghetto-Elegie mit kammermusikalischem Anstrich, dominierte zum Beispiel den Soundtrack zu „Dangerous Minds“, jener Sozialpädagogen-Soap, in der Michelle Pfeiffer schwere Jungs mit Schokoriegeln und Gedichten von Dylan Thomas auf den Pfad der Tugend zurücklenkt.
Jetzt also Johann Pachelbel. Von dem deutschen Komponisten, der maßgeblich Johann Sebastian Bach beeinflußt hat, borgte sich Coolio eine Kantate, die er um eine handliche Hookline ergänzte. Darüber mag man lächeln, kann sich aber dennoch nicht dieser weihevollen Wucht von „C U When U Get There“, das auch auf seinem dritten Album zu finden ist, entziehen. Und natürlich läßt sich problemlos eine Verbindung von der Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts zu der schwarzen des ausklingenden 20. Jahrhunderts konstruieren, schon weil sich der HipHop in immer schwieriger zu durchdringende spirituelle Systeme aufsplittert.
Coolio geht es nur um die Rettung seiner Seele. Deshalb heißt das neue Album „My Soul“; deshalb richtet im Intro eine verängstigte Figur seine Stimme an eine höhere Macht mit der Frage, was sie dennn von ihm wolle. Die diabolisch hallende Antwort: „Your soul!“ Aber die kriegt der Teufel nicht Jedenfalls nicht die von Coolio, der hier im Anschluß noch einmal in 14 Tracks seinen Kampf gegen das Böse beschreibt.
Von protestantischer Strenge kann keine Rede sein. Auf dem Cover trägt der Künstler, in ghettograu getaucht, einen freudlos hochgeschlagenen Mantel, doch textlich spielt Artis Ivey, wie er bürgerlich heißt alle und vor allem auch die schönen Lebenslagen eines Rappers durch, der sich nach oben hochgeackert hat. Er besingt die Versuchungen der Straße („The Devil Is Dope“), mal eine Schreibblockade („Knight Fall“), ferkelt aber auch ordentlich drauflos („Ooh La La“). Ja, hier geht jemand seinen Weg, und musikalisch beschreitet Coolio wenn auch keinen ganz neuen, so doch einen äußerst prächtigen. Denn er verbindet gekonnt Elemente der Old School mit gepflegten Sound-Spielereien. Stramm produziert ist das und also prima.
Einigen Homeboys aber dürfte Coolios Selbstinszenierung doch ein bißchen zu süßlich sein. Wie die Schokoriegel von Michelle Pfeiffer.