AIR FORCE ONE von Wolfgang Petersen :: ab 23. Oktober
Unser Mann in Hollywood. Alle zwei Jahre morst Xfalfgang Petersen ein Interview zur Illustrierten „stern“, das wieder nur belegt: Im Westen nichts Neues. Er bleibt ganz bescheidener Biedermann, der Seh- und Stehpartys meidet und mit seiner Frau zum „Leute-Gucken“ höchstens mal in einer der In-Tavernen speist, über die wahnwitzigen Gagen der Schauspieler lächelt und sich selbst irgendwie überbezahlt fühlt Natürlich kann er aber nur dort big movies drehen wie jetzt mit „Air Force One“.
So heißt der Flieger des US-Präsidenten. Als postatomare Kommandozentrale über den weltweiten WJken konzipiert, taugt es ebenso zum Himmelshotel, mit dem the prez zu Staatsterminen gondelt Auf seinem Rückflug von Moskau wird er in der fliegenden Festung nun samt Familie und Stab von russischen Terroristen gekidnappt. Unmöglich, glaubten die Amerikaner, unerhört sowieso. Denn Air Force One ist ein heiliger Schrein und der letzte moderne Mythos amerikanischer Macht. Als auch der geknackt ist, erkämpft sich der Präsident im Alleingang gegen die Frevler den Respekt zurück. Inzwischen hat das Petersensche Vehikel 160 Millionen Dollar eingespielt Und der Erfolg beim Volk gibt den einsamen Entscheidungen des Vorstehers recht, während seine Tochter unter Tränen, aber tapfer zum bösen Kerl sagt: „My father is a great man and you are nothing.“ Klar, daß Bill Clinton, als Ungedienter und auch sonst ohne respräsentativen Krieg, davon angetan sein soll.
Jener ist Hollywood näher als der virile Westerner Ronald Reagan. In die Amtszeit des selbstverliebten, juvenilen babyboomer Bill fallen präsidiale Seifenopern wie „Dave“ oder „Mr. President“ und das patriotische Popcornabenteuer „Independence Day“. Feindbilder light und launige Familienidylle, geprägt von Liebesschwüren und Loyalität. Und wenn der Enthüllungsroman „Primal Colors“ verfilmt wird, ist Paula Jones vergessen und Clinton fast weg.
Nun gibt erst mal der skandalfreie Schreiner Harrison Ford den Präsidenten, als den ihn mancher Amerikaner gerne hätte, wegen der Glaubwürdigkeit und so. Die Musik hebt an, als beginne ein Western mit John Wayne. Da die Russen die Amerikaner massakrieren, verläßt der Präsident die FluchtkapseL Er sei „a man of action“, so Petersen, und Ford ist auch als CIA-Mann in „Die Stunde der Patrioten“ und „Das Kartell“ nie ohne Familie getürmt. Über Handy müssen die Vize-Präsidentin (Glenn Close) und Militärs hilflos mit anhören, wie er mit einem Hijacker ringt und ihn stranguliert. Mit agiler Lakonik wie einst ab Hau Solo und Indianajones tritt Ford schließlich den Anfuhrer Gary Oldman von der Laderampe: „Go off my plane.“
Petersens Action-Thriller kitzeln den seifmade hero im Amerikaner. So ist die Frage nicht, ob Ford überlebt, sondern: wie? Petersen staffelt mehrere Schluß Varianten, überallher geklaut und für jeden etwas dabei, eine straffe Spirale perfekter Stunts und Spezialeffekte. Es geht um Logistik, und auch „In The Line Of Fire“ und „Outbreak“ waren Baukastenfilme mit exaktem Tuning, deren Plots ja gerade von Sekunden und Koordination handeln und, wie so oft, nur bei den Charakteren hinken. Wenn Mitarbeiter sich vor ihren Präsidenten in die Kugel werfen und Piloten zur Deckung in feindliche Raketen fliegen, wirkt das patriotische Pathos eher kühl oder wie das sentimentale Pflichtgefühl der Feuerwehrmänner in „Notruf“. Distanz zu den sterilen Szenarien schaffen lediglich die humorigen Grübchengesichter von Clint Eastwood oder eben Ford.
Jürgen Prochnow hat seine Gnadenrolle als Finsterling bekommen, während Michael Ballhaus gewohnt famos mit der Kamera minutenlang den Krisenstab umkreist und ohne Schnitt durchs Flugzeug rast. Deutsche Wertarbeit.