CHRIS CACAVAS – ANONYMOUS :: Normal/Indigo
Kennen Sie den? Legt der eine ein Tape ein, sagt der andere, als die ersten Akustik-Gitarren-Akkorde aus den Lautsprechern kriechen: „Klingt ja wie Neil Young.“ Antwortet der, der das Tape eingelegt hatte: „Is‘ aber nur Chris Cacavas.“
Häme beiseite. Chris Cacavas hat sie nicht verdient, weil er längst über dem unvermeidlichen Vergleich steht. Dennoch plagt ihn die eigene Identität im schleppenden Titelsong wie einen Anti-Helden in einem alten Film noir. „I see myself in a mirror or two, I stare and stare without a clue.“ Und dann: „My only claim to fame is, I don’t know my name.“ Koketterie? Echter Leidensdruck? Der vielbeschworene Tod des Autors? Vorsicht! Hatte er nicht gerade zuvor, im sanft einlullenden „Sullen“, noch gesungen: „The more you know me, the more I’m joking“? Und das bißchen Stolz ist über quälendem Zweifel auch nicht gleich verschütt gegangen. „Do Me No Favors“, please, bittet Cacavas inständig. Und das immerhin, nachdem er sich kurz zuvor noch im Gefühlshaushalt einer Fliege wähnte. Wenn die Patsche kommt.
Jedenfalls suchte der frühere Green On Red-Mann für „Anonymous“, sein fünftes Album, noch einmal nach Veränderung. Im Rahmen seiner Möglichkeiten, versteht sich: kein Drum’n’Bass, kein Metal, kein Ambient. Aber immerhin: Die bewährte Band, Junkyard Love, wurde in den Ruhestand versetzt, statt dessen produzierte er gemeinsam mit dem alten Freund Steve Wynn und ausgewähltem Studiopersonal, darunter Cellistin Jane Scarpantoni (Richard Barone und Lunge Lizards) und – als „Psycho Sisters“ firmierend – Vicky Peterson und Susan Cowsill, sonst bei den Continental Drifters beschäftigt Das Ergebnis schöpft seine Kraft meist aus der Ruhe, zelebriert die Konzentration aufs Wesentliche in vorwiegend mittelschneller Gangart.
Kein Zufall, daß ein Song im Titel das Wörtchen „Mantra“ bemüht. Selbst da, wo sich die Gelegenheit böte, mal über die Stränge zu schlagen, hält Cacavas den Druck eher halbakustisch unterm Deckel, statt ihn dampfend und zischend entweichen zu lassen. So erkämpft er sich dann beharrlich doch noch ein paar neue, kleine – vielleicht halt auch nur wiedergewonnene Freiheiten.