FUNNY GAMES von Michael Haneke :: ab 11. September
Plötzlich steht Peter an der Tür. Er komme vom Nachbarhaus, Eva koche gerade, stottert er mit gesenktem Blick, bittet Anna um einige Eier und entschuldigt sich für die Störung. Sie gibt ihm vier. Ob sie jene einpacken solle, nein, nein, es gehe schon, und da fallen sie ihm runter, es tue ihm leid, wirklich, sagt er und möchte noch mal vier Eier, während sie den Boden aufwischt, sie habe doch eine Zwölferpackung, richtig? Sie zögert, er bittet, sie gibt ihm vier, verpackt, aber dann springt ihn der Schäferhund an, die Eier zerbrechen. Er entschuldigt sich, da betritt Paul den Flur. Warum sie Peter keine Eier gebe, fragt er erstaunt, sie habe ja noch vier? Anna schreit, sie sollen mit dem Spiel aufhören. Der Hund kläfft. Paul: „Welches Spiel?“
Anfangs ist einiges nur etwas seltsam, als Georg (Ulrich Mühe), Anna (Susanne Lothar) und ihr kleiner Sohn Schorschi an ihrem Ferienhaus am See eintreffen. Sie wundern sich aber nicht lange über die abweisende Art der Nachbarn, mit denen sie Golf spielen, oder wie Peter (Frank Giering) und Paul (Arno Frisch) auf das hoch eingezäunte, mit einem Eisentor gesicherte Grundstück kommen konnten. Bis es zu spät ist. Ein Wortwechsel, eine Watschen – und Paul zertrümmert George mit dessen Golfschläger das Knie. „Tut mir Leid“, erklärt Paul. „Aber sie haben mich dazu gezwungen, geben sie es zu, Sir!“ Das Entsetzen der Familie ist noch immer etwas Erstaunen, als sei sie im falschen Film oder alles ein schlechter Scherz. Hat ja auch eine brutale Komik, die Höflichkeit dieser jungen Männer, und es wird immer später, bis Paul den Geiseln das Spiel erläutert: „Wir wetten, wer von uns morgen noch lebt.“
In „Bennys Video“, auch von Michael Haneke, war Arno Frisch ein introvertierter Junge, der Horrorvideos guckt und Heavy Metal hört in seinem abgedunkelten Zimmer, wo er zwar zufällig ein Mädchen mit einem Bolzenschußgerät tötet, die Tat jedoch ungerührt vollendet. Nun ist der Gefühlskrüppel ein smarter, sardonischer Adoleszent, der sogar seinen molligen, verklemmten Partner demütigt. Sie tragen Tenniskleidung und Golfhandschuhe, eine fast hämische Parabel auf die schwarzen Killeranzüge, die seit „Pulp Fiction“ so hip sind. Der österreichische Regisseur spielt mit Motiven des globalen Gewaltthrillers, um sie uns vor den Kopf zu stoßen. Er wolle „Zuschauern die Chance geben, das Gezeigte als das zu erkennen, was es ist“ und „Gewalt als das darstellen, was sie ist, nicht konsumierbar.“ Wer sonst ein Voyeur war, ist hier Komplize. Kein Schlag, kein Schuß wird gezeigt, die Abwesenheit aber hat physische Präsenz in unserer Phantasie. Allein der Psychoterror durch die perfide Penetranz der Jungs enthält jedes denkbare Grauen eines Martyriums, das Mühe und Lothar evident zu durchleiden scheinen. Den Trug im Thriller, die Rettung beim Finale, demaskiert Haneke mit einem simpel-starken Kniff: Paul spult per Fernbedienung die Szene zurück.
Kein Film. Eine Gewalttat.