Das fünfte Element von Luc Besson :: ab 28. August
Bummsabadum. So oder ähnlich brabbelt das halbnackte, rothaarige Mädchen, das im Jahr 2259 durchs Dach in das Lufttaxi von Korben Dallas gestürzt ist. Manhattan ist inside Intel, mit Wolkenkratzerschluchten wie ein Labyrinth im Cyberspace, in den Nischen aber verfallen wie die South Bronx. Und sie, die Leeloo heißt, ist als Außerirdische das Leben selbst, das aus den Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde hervorgeht. Diesen Grundgedanken, den schon antike Philosophen konstruierten, hat Luc Besson bereits als l6jähriger mit dem Mädchen als fünftem Element zum Bannstrahl gegen das Böse an sich verbunden. Die Pforte der anderen Dimenson hat sich geöffnet, und ein schwarzer Feuerball aus Antimaterie rast auf die blaue Erdkugel zu, um alles Leben zu vernichten. Dabei kommt ihnen aber der Taxifahrer in die Quere. Bruce Willis, mydear.
„Das fünfte Element“ ist ein Science-fiction-Film und der erste von Besson. Die Filmfiguren des Franzosen wirkten jedoch immer schon wie Aliens, waren Außenseiter, Abseitige, Autisten. Christopher Lambert als Phantast in „Subway“, Jean-Marc Barre als Taucher in „Im Rausch der Tiefe“, Punkjunkie „Nikita“ Anne Parillaud sowie „Leon – Der Profi“ Jean Reno eint ihr emeritisches Dasein und die Unmöglichkeit von Liebe. Abgekapselt in sich selbst, wandeln sie als Unwissende, Unschuldige an der Peripherie und in Parallelwelten: die Metro, das Meer, die Mafia, die staatliche Mörderschule. Die Erkenntnis wird ihr Schicksal: Lamberts ist die bürgerliche Ehefrau Isabelle Adjani, Barre wählt nach dem Tod seines Konkurrenten – und damit einzigen Freundes – den Freitod in der Tiefe vor dem Leben mit Rosanna Arquette, Renos Verhängnis beginnt, als er den flehenden Blick des Mädchens aufnimmt Und Parillaud kann den Tribut für die Normalität, die sie durch den Drill zur Killerin erworben hat und wieder zu verlieren fürchtet, nicht ableisten. Bevor sie sozialisiert in diese schizophrene Situation entlassen wurde, knurrte und kämpfte sie wie eine Raubkatze, während die anderen für oder an ihrer Sprachlosigkeit sterben. Barre schwimmt elegant mit Delphinen, ist auf dem Land aber unbeholfen und fast stumm, so wie Reno als Präzisionskiller nach dem Job in Lethargie fällt wie ein abgeschalteter Automat. Die apolitischen und asexuellen Antihelden des Misanthropen Besson definieren sich allein über ihre Aktionen. Reflexe statt Rhetorik. Alles ist Effekt, auch die Emotionen.
Am Anfang war die Apokalypse von Bessons Debüt „Dernier Combat“, eine Studie der Bewegung über zu Gesprächen und Gefühlen unfähigen Überlebenden, „Atlantis“ verzichtete folgerichtig auf Menschen, mit „Das fünfte Element“ folgt nun ein von den visionären Comiczeichnern Moebius und Mezieres modelliertes Gesamtkunstwerk. Besson hat das Populäre nie gescheut, war darin immer kostspielige Avantgarde und seine Stärken von seinen Schwächen nicht zu trennen. Nun hat er den mit 80 Millionen Dollar bisher teuersten Film Europas gestemmt. Dekorkino in Scope, das keine Dialoge brauchte, in dem Statisten mit gefallsüchtigen Kostümen von Gaultier modeln und mit prächtigen Pappfiguren wie Gary Oldman als faschistoidem Popper. Die Grazie Milla Jovovich ist als weiblicher Mogli die reformierte Nikita, wiedergeboren von Bessons Alter ego, einem Klonexperten, der zu Recht erklärt: „Sie ist perfekt.“ Beim Plot hat der Perfektionist Besson jedoch geschlampt. Auch die sonst betonte Stille fehlt, und die Elektromusik Eric Serras hämmert nicht nur in Actionszenen, die Willis mit orangenem Unterhemd und blonden Stoppeln perfekt durchsteht Als ihm der Weltpräsident mitteilt, die Erde werde in einer Stunde und 57 Minuten zerstört, erwidert dieser: „Ich melde mich in zwei Stunden zurück.“ Gaga.