Paul Weller :: Heavy Soul
Für einen Mann, der einst das smarteste Trio des Universums in Blitzattacken gegen den retardierten Rockismus führte und dann jahrelang der fraglos smartarschigsten Combo aller Zelten vorstand, wirkt Paul Weller heute erschrekkend stillos, seine Musik rechtschaffen bieder. 20 Jahre nach „In The City“ und „The Modern World“ ist Weller an einer Stelle fündig geworden, die er immer gemieden hatte wie die Pest: unterm Rock von Mama Bluesrock. Die faltige, alte Vettel hatte Rouge aufgelegt, Paul muß seine Brille vergessen haben und böse bekifft gewesen sein, und schon sind wir um eine unschöne Erkenntnis reicher: Der Schoß war fruchtbar noch, aus dem Atomic Rooster kroch, Fucking helL Jieavy Soul“ hat Paul das Balg getauft, euphemistisch im Hinblick auf erhoffte Entwicklungsmöglichkeiten. Dem ersten Teil des Namens wird das Album freilich ab und an jetzt schon gerecht, im Titelsong etwa und in dessen instrumentalem Ableget Oder im klumpfußigen Dröhn-Rock von JBrushed“, im banal plätschernden „Golden Sands“ und im an sich beschaulichen, aber allzu Baß-banausigen „Driving Nowhere“. Weller hat sich, wie es scheint, in eine Sackgasse manövriert. Die Capuccino-Kids tragen eine Träne im Knopfloch, und in der Entfernung rottet sich eine Meute sabbernder Hyänen zusammen, deren bevorzugtes Opfer gestrauchelte Popstars sind, je großen desto besser.
Am Scheitern eines Paul Weller, machen wir uns nichts vor, wurden sich viele laben. Allen voran jene, die ihn schon seit Jahren zum alten Eisen zählen, nicht zuletzt wegen seines fortgeschrittenen Alters. Nächsten Mai wird er 40. Und als ob Ageismus nicht schon schlimm genug wäre, hat Weller auch noch das sturzdoofe, trendhechelnde Gesindel am Hals, das ihn mit „Retro!“-Scnmähungen verfolgt und auch sonst jede große Tonkunst mit der einfaltigen Frage zu desavouieren sucht: „Aber wo bleibt bloß das Innovative?“ Nein, Belästigungen von Neuzeit-Schwätzern hat er nicht verdient, unser Paul, nicht nach den vielen Irrungen und Wirrungen.
Erinnern wir uns: Dem scharfen Modpop von The Jam und der einstimmigen Akklamation zum spokestnan of a generation folgten die zuerst soft-souligen, später eifernd-jazzigen Exkursionen des Style Council, dann Rückzug ins Private, das Comeback als Solist mit Songs über Natur und innere Nöte, die barfüßige, strickjackige Semi-Akustik von „Wild Wood“, das hyperpopuläre, mit großem Ernst noelrockende „Stanley Road“, und jetzt also „Heavy Soul“, ein Album, das sich leicht als borniert und rückwärtsgewandt beschreiben ließe, dies aber nur streckenweise ist.
Mit Sympathie gehört und immanent verstanden, offenbart Wellers neues Werk eine Reihe von Einsichten in die partielle Reformierbarkeit verkrusteter, vornehmlich an Humble Pie, Spooky Tboth und Traffic geschulter Strukturen. An klotzigen Gitarrensäulen ranken sich Streicher und blumige Arrangements, und Wellers Stimme entfahrt wohl hier und da „souliges“ Gegröhle, aber mindestens ebenso oft hören wir Zwischentöne bis hin zu, ja, Zartheit Die wirklich guten Tracks überwiegen. Das Strings-umspülte „Mermaids“ mit Sha-la-la-Pop-Appeal, „As You Lean Into The Light“ mit seinen Fleetwood Mac-Anleihen (circa ^Albatross“), das Quasi-„5tonley /W-Outtake JFriday Street“, das melodisch beschwingte „Up In Suze’s Room“ und die letztjährige, Rock-knorrige Single „Peacock Suite“. Ocean Colour Scene standen als Backing Band nicht mehr zur Verfügung, die Gitarre-Baß-Schlagzeug-Rudimente lassen Fisimatenten und Feinsinn nicht zu, und doch ist die Musik auf „Heavy Soul“ meist mehr als Mucke, (noch) weit weg von „Ohne Filter“.
Behält Weller die Geschwindigkeit freilich bei, mit der er sich von Stil-cum-Sozialkritik entfernt und den Session-Niederungen hohlen Soul-Getues nähert, kann er in zwei Jahren mit Joe Cocker oder Steve Winwood auf Tour gehen. Keine schönen Aussichten. Eigentlich wollte Paul doch immer Lennon sein, jetzt ist er „nur“ Macca.
Ich unterstelle: Paul Weller weiß das. Er ist ein heller Kopf. Seine Humorlosigkeit ist zwar sprichwörtlich, aber ist Humor nicht, wenn man trotzdem lacht? Und so seht doch: Paul grinst. 3,0