45 R.P.M. :: von Wolfgang Doebeling
Der Frühsommer bringt eine verkable Singles-Schwemme. Kurz und knapp also… GENEVA hatten immer schon einen Hang zu Melodramen und beschwipptem Kitsch, aber mit „Tranquilizer“ (Nude) haben sie dafür das adäquate Vehikel gefunden. Eine Suada aus Strings und Keyboards plustert sich zum Crescendo, Andrew Montgomery croont mit der Kopfstimme, und wir fragen uns unwillkürlich, wie wohl ABC seinerzeit geklungen hätten, wären sie wie Geneva aus Schottland gekommen. Groß.4,0
SYMPOSIUM ist eine weitere Band, die im UK derzeit für Aufsehen sorgt, doch ist das in ihrem Fall eher bedenklich, bedient „The Answer To Why I Hate You“ (Infcctious/EMI) doch gleich ein halbes Dutzend müder Rock-Klischees bis hin zu schweinigelnden, jaulenden Gitarren. 2,0
Auch die STEREOPHONICS sind über den Rockismus-Verdacht nicht erhaben. „More Life In A Tramps Vest“ (V2) verschwendet viel Kraft, legt zu viel Wert auf bloße Energieentfaltung, um überzeugen zu können. A little pop, too little style. Mehr von beidem hat indes die B-Seite „Raymond s Shop“, also: im Auge behalten, irick Von erwarteter Brillanz ist „Dog On Wheels“ (Jeepster) von BELLE & SEBASTIAN. Spanische Gitarren, mexikanische Trompeten, verblaßte Kindheitsträume, Melancholie pur. Und mit „The State I Am In“ ein kleines, egoistisches Epos über die Falltüren der Jugendjahre in Glasgow, über Pleiten, Pech und perfides, kleines Glück: „My brother had confessed that he was gay. It took the heat off me for a while.“ 4,0
Soulige Bläser und eine silberhelle Harmonika machen aus „I Wanna Be Like You“ (Artificial) von den DANDYS aus York ein elegantes, gediegenes Stück Pop ohne Revival-Ambition und Retro-Touch. Zeitlos modern und ziemlich cool. 4,0
Nicht so gut, aber ähnlich Britmod-motiviert ist „Time’s Up“ (Dead Dead Good) von SUSSED. Die Dynamik stimmt, der Text drängt, doch ist die Melodie leider less than perfect, und des Sängers Stimme erweist sich auf Dauer als zu quengelig. Red Vinyl. 3,0
Fast ohne Fehl und Tadel ist „Sun Hits The Sky“ (Parlophone) von SUPERGRASS. Rasant und prägnant, mit diesen so sparsamen wie strategisch wichtigen Harmonies und einer feinen, flüssigen Orgel, wie sie Ray Manzarek gespielt hat in jungen Jahren. Ungestüm wie Sixties-Punk, aber mit melodischem Knowhow und gesunder Uns-kann-keiner-Arroganz. 4,0
Dem klassischen Fuzz-Garagen-Lärm verpflichtet fühlen sich PAINTED AIR aus Hamburg, die auf den fünf Tracks ihrer EP „Missed Your Plane“ (Swamp Room) zwar mächtig aufdrehen, aber schmählich im Stich gelassen werden von der allzu dünnen, leider Genre-typischen Produktion ohne Glanz und Gusto. 3,0
Ebenfalls fünf Tracks, ebenso 60er Jahre-trashy, finden sich auf der EP „Driving“ (Hidden) von THE CYRILLIDS aus Berlin, tontechnisch griffiger gestaltet ab die der hanseatischen Konkurrenz, aber songtechnisch und mehr noch sangestechnisch definitiv auf der Verliererstraße. 2,0
Hübsch rüden, Fifties-inspirierten und rein instrumentalen Trash spielen THE ’57INCIDENT aus den Niederlanden. „Teaserama“ (Part) klingt wie Link Wray im Übungskeller und ist, siehe Sleeve, eine Verbeugung vor den Kurven der erotischen Lichtgestalt Betty Page. 3,0
Noch einen Zahn schärfer ist der satte Sax-Sound auf „Curling Lips“ (Color Sounds) von DUANE DILLON: Little Richard goes Funk.Nur das knödelige und viel zu lange Gitarren-Solo stört. What a shame. 3,5