Calvin Russell :: Hamburg, Logo
„Mann, ist das heiß hier!“, prustet bereits jemand die in kleinen Biertröpfchen gefangene Atmosphäre des knüppelvollen Logo in den Regen vor der Tür, da hat der Abend noch nicht mal richtig begonnen. Und so ordern noch viele das Kühlung versprechende Naß, als sich mit des Meisters ersten Akkorden rötlicher Badlands-Staub wie ein magischer Mantel im Raum ausbreitet.
Der texanische Spätzünder (veröffentlichte, 1948 geboren, 1990 sein erstes professionelles Solo-Album) unterläßt souverän jede Art von prätentiöser Anmache und läßt Musik sprechen. In roten Sandstein gefräst, bleibt schon nach einigen Minuten knirschend die Zeit stehen. Russell der inzwischen noch viel älter aussieht, als ihm Wohlwollende schon Vorjahren als erreichbare Lebenszeit eingeräumt hatten – braucht keine aufgeblasene Performance, um vor der Bühne sanftes Wiegen, Mähneschütteln und wippende Schuhsohlen auszulösen. Zwei, drei Songs, ein Schluck „Jack Daniels“ – plötzlich steht der ganze Laden irgendwo in einem gottverlassenen texanischen Nest, ein riesiger, glühender Sonnenfeuerball senkt sich hinter den Bühnen-Horizont, und auf einmal haben alle Cowboyhüte auf.
Während Russell sich mit allem Kraftaufwand durch die Klassiker seiner fünf Alben knarrt und näselt, meint man von draußen Pferdegetrappel zu hören. Er rockt und bluest herzzerreißend, kongenial angetrieben von sidekicks – allen voran Gitarrist SpencerJarman. Es ruppeln „Living At The End Of A Gun“, „A Crack in Time“ und „It’s My Life“ in der Magengegend – und spätestens beim göttlichen und unvermutet unplugged vorgetragenen Hit „Soldier“ kocht das Blut, und Schweiß beißt in den Augen. Zeit also für ein neues Bier, nicht das letzte des Abends. Am Himmel leuchtet Hale-Bopp.