Wuhling – Extra 6
Und auf einmal ist alles vorbei. In Amerika erscheint eines ihrer Alben beim renommierten Label Touch & Go, produziert hat es ihr Fan Steve Albini, für den andere viele Dollars hinlegen. Alle Türen dieser Welt standen Wuhling offen, na und? Die Band gibt es nicht mehr. Songwriterin Anne Rolfs ist von Berlin in ihre Heimatstadt Rostock zurückgezogen, mehr müssen wir nicht wissen. Mit der Popmusik war es das jedenfalls. Dafür erscheinen – sozusagen aus dem Nachlaß – gleich zwei Werke: das bislang unveröffentlichte „Spacebeige“ und“£tfro 6″, ihr reguläres erstes Album. Und das definitiv letzte.
Das abrupte Ende kann nicht verwundern bei dieser Band, die auch auf ihren Platten ohne Punkt und Komma losstürmt. Ja, Wuhling pfeifen auf jede gängige Gitarrenpop-Interpunktion. Ihre Musik ist gänzlich frei von der gängigen Grammatik des Gefühls, und selbst in ihren traurigsten Liedern schaffen sie ein euphorisierendes Wirbeln. Anne Rolfs singt, dieses Bild muß erlaubt sein, wie ein Engel, der ein bißchen zu schnell geflogen ist Nach Luft schnappend und nach höchsten Tönen. Und ja, manchmal steppt das Wunderkind dazu. „Abgefahren voll im Wahn/ Alle sprachen wie von Stunden/ Dabei waren es nur Sekunden“, singt sie in „Speed“.
Auf „Spacebeige“ gibt es so einen Moment, der einen jedes Gefühl für Zeit vergessen läßt – vielleicht weil es hier um Schlafkrankheit geht. Bei „Narkolepsie“ vermischt sich in Anne Rolfs schlingerndem Gitarrentremolo Link Wrays „Batman Theme“ mit „Teenage Riot“ von Sonic Youth. Hinter dem Schlagzeug arbeitet
derweil höchst konzentriert Frank Neumeier.
Während „Spacebeige“ noch als Duo entstand, nahmen Wuhling „Extra 6“ in Chicago zu dritt auf, was wohl doch ein bißchen die Bewegungsfreiheit eingeschränkt hat Doch Heike Marie Radeker von 18th Dye ist eine umwerfende Bassistin und ergänzt das regellose Spiel der Rolfs mit einigen inspirierten Passagen. Steve Albini, der schon mal die Noisepopper Wedding Present mit einem ähnlichen Sound versehen hat, tut das Richtige – nämlich ganz wenig. Die Gitarre ist flutlichthell, der Baß schwarz und unentrinnbar wie die Nacht.
So entfachen Wuhling einen Sog, der einen am Ende mit vollkommen zerzaustem Kopf ausspuckt. Außer Atem, ohne Antwort.