Son Volt – Straightaways

Live sind Son Volt langweilig. Bubis, die auf der Bühne mit halbgeschlossenen Lidern ihren Weltschmerz ausbreiten und ihre Abscheu kundtun für die Fußangeln des Lebens. Erschütternd ist das nicht. Es hat ein Element der Rührung, dieses studentische Offenbaren nachempfundener Hierstehe-ich-und-kann-nicht-anders-Aporie. Nicht weit entfernt von der studierten Melancholie, in der sich Wilco live zu verlieren drohen, bevor sie die Verstärker ihrer Bestimmung übergeben und das Publikum mit lustvollem Lärm und zotigen Riffe nach Hause schicken.

Auf Platte haben Son Volt ein anderes Kaliber. Verschieben wir die Deutung dieser Dichotomie auf einen späteren Zeitpunkt (als Teil einer noch zu leistenden Ontologie des sogenannten „insurgent country“). Belassen wir es für diesmal bei dem Versuch einer Auslegung der zweiten Son Volt-LP, die ganz formidabel klingt, wenn man die Bass-Register etwas ausdünnt und nicht mit Treble spart. Dieser Trick funktionierte schon bei „Irace“, dem Vorgänger. Bei reduzierter Dröhnung und minimierter Sound-Dünung beginnen die Song-Kleinode von Jay Farrar ihre Oberfläche zu zeigen und, ja doch, zu glänzen. Sooo hübsch. Und nimmt man Jay Farrars Stimme auf diese Weise ein wenig von ihrer Kehligkeit und Starrheit, lassen sich seine an Gene Clark und Michael Stipe geschulten Manierismen leichter ertragen.

Melodien sind ganz unzweifelhaft Farrars Stärke. Sie fließen, schwellen an und ebben ab, so organisch wie ökonomisch. Würden die Gesangsparts durch den einsamen Twang einer Gitarre ersetzt (sagen wir Duane Eddy), wäre „Straightaways“ nicht mehr dasselbe, aber immer noch brillant. Vom Wesen her sind die neuen Songs eine Fortschreibung der Bekenntnisse und Beklemmungen, der Schuldzuweisungen und Eingeständnisse auf „Trace“, weniger platonisch und spartanisch, dafür marginal süffiger und sinnlicher umgesetzt, bluesiger gar. Mal ist es Rock straight, mal mit Country-Chaser, immer aber mit dem Unterton des Tragischen und voll trauter Poesie.“ Hin und wieder klingen die Worte etwas abgescheuert, („asphalt prairie“ dürstet nach Ironie, bekommt von Farrar aber keinen Tropfen), meist verschmelzen sie jedoch ganz famos mit diesen satten, süperben Melodielinien, die Jay Farrar scheinbar so mühelos aus dem Ärmel schüttelt. Intuition, nicht Komposition.

Musikalisch ist alles auf „Straightaways“ moderat, wenn auch weniger einförmig als auf „Trace“. Ein Tupfer hier, ein Pinselstrich da. „Picking Up The Signal“ darf ein bißchen Garagen-Byrds sein, passend zu Zeilen wie „I hear the beat of a thousand conga drums“. Andere Tracks wie „Creosote“ sind semiakustisch arrangiert, eine Fiddle hier, eine Pedal Steel da. Letztere, von Eric Heywood eher impressionistisch als Country-selig gespielt, verleiht auch „Left A Slide“ eine extra Dimension, die sie im Konzert vermissen lassen. There’s always hope.

Nein, nicht immer. Die Essenz des Epilogs ist eine andere: „Way Down Watson“ ist Farrars traurigster und vielleicht deshalb schönster Song. Zu einer herben Harmonika und einer zag gezupften Akustik-Gitarre ein Abgesang auf ein abgerissenes Motel, eine Allegorie für enttäuschte Hoffnungen: „Feel the heartstrings sinking fast/ Another treasure found, another tumbling down.“

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