Drucksachen

Paul Weller brachte es auf den Punkt: „Vergeßt Van Gogh“, riet er einst seinen Schülern. „Wenn ihr große Kunst sehen wollt, schaut euch die Covers der ersten paar Stones-LPs an oder ein französisches EP-Sleeve der Stnall Faces.“ Die Platte als Artefakt, die Einheit und Parität von Musik und Cover-Kunst. Genuß in mehr als einer Dimension: All das gehört der Vergangenheit an. Zwar werden noch LPs veröffentlicht, heute mehr als vor drei Jahren, doch ist das Design meist aufs Bierdeckelformat der CD abgestimmt, so plakativ wie unattraktiv, und wirkt auf 31 Quadratzentimeter hochgezogen nicht weniger billig, nur eben größer. DeplorabeL, ohne Frage. Sign afthe times, wie Sex mit Gummi. Da hilft freilich kein Wehklagen. Cover-Design liegt darnieder, ist zur drittrangigen Gebrauchsgrafik verkommen, ohne jede Relevanz. Der spannende Impulsivkauf von früher, das Überwältigtwerden von einem wunderbaren Artwork, ist längst einer semiotischen wie kalligraphischen Einfalt gewichen, die nurmehr flüchtig für Aufmerksamkeit sorgen solL Selbst Kitsch hat keine Kraft mehr. Schöne neue Welt Michael Ochs, Archivar und Sammler, erinnert nun mit „1000 RECORD COVERS“ (Taschen, 40 Mark) an jene große Zeit, als die Marketing-Abteilungen vieler Labels rentable Künstler beschäftigten und visuelles Empfinden jenseits bloßer Warenästhetik noch eine Rolle spielte. „1000 der besten Schallplattencover aller Zeiten“, prahlt der Klappentext, habe Ochs aus seinen Beständen zutage gefördert für dieses Buch. Blödsinn. Richtig ist, daß Ochs einen sehr brauchbaren Abriß über gut vierzig Jahre Cover-Art bietet, grob chronologisch geordnet sowie nach graphischen AspeJcten. Natürlich sind die Fiftie^Covers fast alle cool, die Sixties-Covers bunt bis schillernd, die der Siebziger plump und die späteren in erster Linie effekthaschend, wobei einige Ausnahmen diese Regeln aufs eindrücklichste bestätigen. Der Begleittext ist rudimentär und stellenweise so grob verallgemeinernd, daß sich jeder Sinn verflüchtigt und dem Rezensenten nur der Rat bleibt, ihn tunlichst zu ignorieren. Ein schöner Spaß indes ist die Suche im Freundeskreis nach den persönlichen Lieblings-Covers. Mein Favorit: Jimmy Reeds „Rockin‘ With Reed“ auf Vee Jay, 1959. Das gruseligste: Robin Gibbs „Robin’s Reign“ (Abco. 1970). Your turn. 3,5

Dem photogenen Robin und seinen Eunuchen-Brüdern begegnen wir wieder in Heinz-Dirk Zimmermanns „STAMMBÄUME UND DISKOGRAPHIEN1“ (Star Cluster, PF 1421, 58798 Balve, 50 Mark).

Wer die famosen Family Trees von Pete Frame schätzt mit ihren zahllosen biographischen Verästelungen, wird sich auch hier schnell festlesen. Hat man die Bee Gees-Saga erstmal umkurvt, winken als reichliche Belohnung 100 Seiten harte Fakten über die Byrds und Flying Burrito Brothers mit all ihren Prototypen und Protagonisten. Als Dreingabe gibt’s die Eagles, Moody Blues und Crosby, Stills. Nash &. Young (und Onkel Neils Historie noch mal gesondert, von den Squires bis Pearl Jam). Für Fans unverzichtbar. 3,5

Eine Kollaboration von Star Cluster und dem UK-Fanzine „Broken

Arrow ist „HIPPIE DREAMS“, ein von Alan Jenkins herausgegebener, sehr lesenswerter Reader zur weiteren Erbauung der Neil-Young-Gemeinde mit Interviews, Konzertberichten und Copyright-Eintragungen (wow!) sowie einem Miniposter (40 Mark), und „BLACKBERRY WAS“ (45 Mark) von Jürgen Wanda: Die Historie von The Move, einer brillanten Pop-Combo aus Birmingham, die zum Electric Light Orchestra mutierte und unter der Ägide von Jeff Lynne immer pappiger und nutzloser wurde. „I love that ELO“, sang Randy Newman schön sarkastisch über Lynnes Soundmach£, und dies Buch erzählt, wie die Band abschlaffte auf dem Weg von Roy Woods Pop-Vision zu Jeff Lynnes Plüsch-Kreation. Wanda ist Fan ohne literarische Ambitionen, und das ist noch immer tausendmal besser und bekömmlicher als jedwedes gestelzte Getue schriftstellernder Überflieger. Beide Bücher kommen leider im CD-Minifbrmat (siehe oben), beide dennoch 4,0

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