NICOLETTE – DJ-KICKS :: K7/RTD

Keine Ahnung, ob sie da nun auf der Brücke eines vermoderten U-Boots posiert oder in der Schaltzentrale einer stillgelegten Nordlondoner Fabrik. Auf jeden Fall sieht Nicolette wieder bezaubernd aus vor all diesen rostigen Knöpfen, denn ganz entrückt steht sie da in spätindustrielles Grün getaucht. Gute Optik für das Cover dieser Doppel-CD, die den Titel „DJ-Kicks“ trägt, aber mit DJ-Arbeit und Dancefloor-Kicks erstmal herzlich wenig zu tun hat. Vielmehr präsentiert Nicolette, die Jungle liebt und Jazz singt, das Compilieren als Möglichkeit, einen eigenen Text zu schaffen.

Die „DJ-Kicks“-Reihe des Techno-Labels Studio K7 ist eine wichtige Einrichtung. Hier präsentieren nicht nur einschlägig vorbelastete Künstler ihr Können als DJs, und mit jeder Folge wird der konventionelle DJ-Set mehr in die Auflösung getrieben. Die österreichischen Popstars Kruder & Dorfmeister etwa zeigten unlängst mit ihrem Beitrag bravourös, wie der DJ-Job den Charakter einer eigenen Performance entwickeln kann, und die Arbeit der Dub-Meister Rockers Hi-Fi, die nächsten Monat in dieser Reihe folgen soll, dürfte ebenfalls die Kategorien durcheinanderwirbeln. Aber erstmal sind da fast zweieinhalb Stunden Nicolette, jener so bescheidenen wie schillernden Gestalt der Londoner Club-Szene, die mehr als alle anderen für die Annäherung von Breakbeat und Songwriting steht.

Für Nicolette «st das Plattenauflegen Autorenarbeit – eine einsame, individualistische und glückspendende Angelegenheit. Es kann nicht verwundern, daß einer von drei selbstproduzierten Songs ausgerechnet das fünf Jahre alte „I Woke Up“ darstellt. Darin besingt sie den Blues des Schreiberin, die Sex nur von den Lauten aus der Nachbarwohnung kennt. Sounds sind Geschichten für Nicolette. Die Dynamik liegt nicht im Groove, sondern im Geräusch. Manchmal verquickt das Produzententeam Plaid, das ihr schon auf dem letzten regulären Album zur Seite gestanden hat, die Stücke mit soundtrackartigen Schnipseln, manchmal schafft Nicolette die Übergänge durch eigene verbale Intermezzi. Ist schließlich ihr Text.

Und was da alles hineinpaßt! Diese Compilation eignet sich natürlich nicht als Best of Drum’n’Bass fürs nächste Betriebsfest. Renommierte Breakbeat-Akteure wie Doc Scott, DJ Krust oder UK Apache & Shy FX werden hier mit den genialen Käuzen der Elektronika zusammengebracht. Natürlich darf Aphex Twin nicht fehlen und auch nicht Alec Empire, der sowohl mit einem Hardcore-Track als auch mit einer komatös anmutenden Ambient-Nummer vertreten ist. Bewegen kann man sich zu diesem Monstrum aus den Turntables nur schwer. Starr verharrt der Hörer auf dem Bett und läßt sich von Nicolettes Erzählung in den Bann ziehen, um dann irgendwann an einem fremden Ort aufzuwachen. In einem ausgemusterten U-Boot zum Beispiel oder einer alten Fabrikhalle.

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