Alternativen
Die Geschichte des Rock & Roll war immer die Geschichte der Fusionen: Folk-Rock, Jazz-Rock, Klassik-Rock etc. etc. Nun ist es an der Zeit für, ja was, Elektro-Rock? Etwas ähnliches kommt einem jedenfalls in den Sinn, wenn man die 45 rein instrumentalen Minuten der neuen CD von TRANS-AM durchgehört hat. Die ersten Minuten von „Surrender To The Night“ (City Slang/EFA) fuhren auf die falsche Fährte und lassen denken, man hätte es mit einem normalen Grunge-Trio zu tun. Doch schnell schleichen sich digitale Klangsplitter ein, und der Rock-Kontext wird langsam aber sicher buchstäblich zerhackt. Gegen Mitte des Albums bricht dann ein Inferno los, das unwillkürlich zu der Befürchtung führt, man habe den CD-Player versehentlich in die Mikrowelle gepackt. Danach wird der Hörer mit ähnlich sanfter Brutalität zurück in die Welt der Gitarrensaiten geführt und in dem Gefühl sitzengelassen, gerade etwas höchst Aufregendes erlebt zu haben. 4,5
Eine Alternative zu diesem (wie auch zu sich selbst) bietet Alejandro Escovedo an. Der allseits geschätzte Songwriter, der sich auf seinen Solo-Alben gern von Streichern begleiten läßt, hat den guten alten Blues Rock neu entdeckt und zelebriert diesen unter dem Bandnamen BUICK McKANE auf denkbar zünftigste Art und Wfeise. Alte Klischees von Schweiß und schmierigen Kaschemmen erheben ihr häßliches Haupt, aber Alejandro ist mit soviel Herz dabei, daß man „The Pawn Shop Years“ (Ryko/RTD) einfach mögen muß. 4,0
Auch BAZOOKA tragen das Banner der 70er Jahre. „Poor Mr. Rockstar“ (SST/RTD) bringt eine gute Stunde jazzigen Funk-Rock mit knackenden Bässen, meist unisono gespielten Themen und der für damalige Zeiten typischen Melodieführung. Keine Bläsersätze zwar, aber viel Gitarre und alles rein instrumental ^fenn Drummer Vince Meghrouni zur Querflöte greift, ist auch der letzte Nostalgiker überzeugt Gast bei drei Songs: Greg Ginn. 3,0
THE FOLK IMPLOSION sind vom „Kids“-Soundtrack her bekannt und klingen auf der neuen EP „Pole Position“ (Communion/Naptime) mehr und mehr nach Sebadoh – kein Wunder, denn Lou Barlow ist dabei. Leider drei nur hübsche, aber schlecht produzierte Songs, die als Vorgeschmack auf das neue Album nur mäßig erregend wirken. 3,0
JOHN DAVIS, die andere Hälfte von The Folk Implosion, ist auch solo aktiv. Auf „Bitte Mountains“ (Shrimper/Naptime) begleitet der Bibliothekar aus Massachusetts sich im Stile einer Mehrspur-One-Man-Band eigenhändig an Gitarre, Baß, Drums und Keyboards. Das ist zwar bewundernswert, doch seinen zerbrechlichpoetischen Songs tut es nicht unbedingt gut. Etwas mehr Abwechslung bei den Arrangements hätte seiner wenig variablen Stimme besser gestanden. Die gelegentlichen Vergleiche mit Nick Drake sollte man daher lieber vergessen – hier fehlt es doch etwas an Raffinesse.3,5
Ein bizarres Meisterwerk atmosphärischer Musik ist der Formation LA BRADFORD gelungen. Das gleichnamige Debüt (Blast First/IRS) klingt, als hätten sich die Tindersticks in Luft aufgelöst und suchten nun mit geisterhaften Stimmen den Wiedereintritt in die Welt der Körperlichkeit. So ist der Puls der Musik immer leicht erregt, doch der melancholische Charakter der Songs ist ein Zeichen dafür, daß das Unternehmen wohl aussichtslos ist. 4,0
Auf ihrem vorherigen Album hatten die neuseeländischen TALL DWARFS sämtliche Privat-Tonkünstler dieser Welt dazu aufgefordert, mögliche Backing-Tracks für das nächste Album einzusenden – Internet streng analog auf dem Postwege. Das Ergebnis liegt nun unter dem Namen „Stumpy“ (Flying Nun/RTD) vor, klingt allerdings nicht viel anders als der gebrochen-humoristische Vierspur-Pop, den man vom Duo Chris Knox und Alec Bathgate kennt Spaß hat die Aktion wohl gemacht: Der leidende Unterton in Knox‘ Gesang ist verschwunden. 3,5