Replays2 von Bernd Matheja
„Psychedelia“ (See For Miles SEECD 463/TIS) nennt sich die 673. Compilation zum englischen „Summer Of Love“, der nun bald 30 wird. Spitzen-Bands wie St. Valentine’s Massacre und Timebox, Lau-Lüftchen wie World Of Oz und Megaton (mit dem jungen Les Humphries!) stehen hier nebeneinander. Alles nicht sooo aufregend, aber unverzichtbar etwa für die Gallagher-Brüder: Hier können sich Oasis blendend und intensiv für ihre nächsten zehn Alben informieren. 2,5
Band-Musiker auf dem Solo-Trip – ein Kapitel für sich (wir denken an Bill Wyman, Roger Daltrey, Dave-Davies-LPs, 100 andere und krümmen uns). Nicht jeder ist halt so gut wie Ronnie Lane, Chris Youlden, Mike Harrison oder… Jim Capaldi. Gleich drei Solo-Scheiben des Traffic-Drummers gibt’s jetzt von Edsel/ über Contraire auf CD: „How We Danced“ (EDCD 502/ 4,0 ), „Whale Meat Again“ (EDCD 503/3,0) und „Short Cut Draw Blood“(EDCD
504/ 4,0 ). Der in Kollegenkreisen sehr geschätzte sticksman erweist sich durchweg ab kreativer Komponist, der auch stimmlich überzeugt. Wenn er antrat, kamen die besten Helfer: Paul Kossoff, Steve Winwood, Mike Kellie, Dave Mason, Chris Spedding, David Hood/Roger Hawkins/Jimmy Johnson (Muscle Shoals), Jess Roden. Zeitloser Rock-Sound mit Anleihen in angrenzenden Genres, hochqualifiziert, nie steriL Der Mann hatte (Achtung, Platitüde!) einfach Geschmack und dazu das adäquate Können.
Materialmäßig war dagegen Lulu in ihrer Frühphase nie so ganz vorteilhaft ausgestattet. Ihre „EP Collection“ (See For Miles SEECD 452/TIS./ 2,5 ) beweist das. Stark war die Krächz-Röhre mit R&B a la „Shout“, „Surprise Surprise“ und verwandten Schrubbern. Wurde die Pop-Abteilung angesteuert, schien die Wuchtbrumme klar unterfordert. Ausnahme: eine gelungene Version von JHere Comes The Night“ (23 Titel aus den Mittsechzigern).
Nur knapp 20 Jahre zu früh waren Bob Young & Micky Moody mit „Young & Moody“ (Repertoire REP 4633/Contraire) angetreten. Ihr stark akustisch ausgerichteter Mix aus Blues, Country und Folk – mit gar wunderbarer Saitenarbeit von Moody! – wäre heute als Neuerscheinung mit Jubelstürmen begrüßt worden; im Punk-Gewimmel von ’77 war kein Platz für die diffizilen Arrangements, für gezielte Zurückhaltung und Handwerk de luxe (Bonus-Tracks: drei. Wertung: 4,0)
Bislang nur als verrauschter Japan-Import im Handel, jetzt im TIS-Programm: Heads, Hands & Feet, das gloriose Debüt der Gruppe um Gitarrengroßmeister Albert Lee (See For Miles SEECD 458) aus dem Jahr 1971. Gut, daß die damalige US-Version (Doppel-LP mit 17 Tracks) überspielt wurde; schlecht, daß die UK-Firma Kosten und Mühen scheute und die ganze Chose klanglich zum Teil schwächlich beließ. „Delaware“ etwa, einer der schönsten Soft-Rock-Titel aller Tage, bleibt via Kopfhörer eine Lagerfeuer-Veranstaltung. Anyway, was die Engländer da als offiziellen Erstling vom Stapel ließen, ist ein einziger Genuß: Songs, Solisten, Arrangements – alles aus der ersten Liga, alles viel eher amerikanisch denn von britischer Küste. Nach wie vor ein Geniestreich: „Country Boy“ mit Albertchen unter Starkstrom, permanent perlend wie 1000 Liter auslaufender Schampus. Wer z. B. The Band oder Brinsley Schwarz favorisiert, findet hier die Komplementär-Combo zu diesen beiden. 5,0 für eine der absolut besten und intelligentesten Frühsiebziger-Scheiben überhaupt „Tracks“, der Nachfolger von 1972 (SEECD 459, zwei Bonus-Tracks, 4,0 ) rangiert nur unwesentlich dahinter.
Frijid Pink hatten mit einer Cover-Version von „House Of The Rising Sun“ 1970 ihre 15 minutes of fame. Vier Jahre später: „All Pink Inside“ (Green Tree GTR 051/TIS), LP Nr. 4, erscheint Bluesrock und Boogie der schlichteren Sorte. Rauher Gesang, einige appetitliche Gitarrenparts, aber schwachbrüstiges Songmaterial. Nicht mehr als 2,0
Ein Song genügte, um die Virtues in den Rock ’n‘ Roll-Annalen zu verewigen: „Guitar Boogie Shuffle“ von 1959, einer der Instrumental-Klassiker. „Guitar On Fire – The Best Of The Virtues“ (Gee Dee Records 270 102/TIS) versammelt 22 Schrubber, mal runtergekachelt, mal wunderbar geschmiert („Virtues Stroll“!) der Kapelle aus Philadelphia; Rustikales mit Sax- und Saitenschwerpunkt. 3,0
Vollbedienung kommt vom Sequel-Label (über Contraire). Gleich sieben Originalscheiben des großen Ben E. King wurden überspielt. Inklusive Zusatz-Tracks werden auf den einzeln erhältlichen CDs „Spanish Harlem“ (Kat-Nr. 817), „Sings For Soulful Lovers“ (818), „Don’t Play That Song“ (819), „Seven Letters“ ‚(853), „What Is Soul?“ (854), „Supernatural Thing“ (855) und „Benny And Us“ (856, mit der Average White Band) schlappe 124 Titel angeboten. Seidiger Soul, schwitziger R&B, Schmacht-Balladen, die speziell Willy-DeVille-Fans die Schuhe (und Augen) öffnen. Im Schnitt ergibt all das 3,5, wobei Kings Stimme logischerweise eine höhere Benotung verdient. Den definitiven Über-Hammer hätte man allerdings schwingen können, wenn aus diesem Angebot eine umwerfende Doppel-CD gestrickt worden wäre. Das gesamt ehemalige Atlantic-Material waurde von den Masterbändern gezogen, bekam aber leider keine weitere Soundwäsche verpaßt Dies hat stellenweise erhebliches Ohrenrümpfen zur Folge, leider.
Im ausgehenden Mordswinter („Die Killerwinter kommen zurück“, Rudolf Augstein) sei noch einmal und endgültig hingewiesen auf die „Fruit Tree Box“ des unvergessenen Nick Drake, sein Vermächtnis, erhältlich bei Glitterhouse Mailorder. Drei Alben und eine Compilation mit zusätzlichem Material präparieren für die Ewigkeit. Aber Obacht! Der Musikredakteur dieser Zeitschrift wartet schon seit Weihnachten auf die bestellte Lebenshilfe. 5,0