Drucksachen von Wolfgang Doebeling
Oft schon waren die wildbewegten Lehr- und Wanderjahre der Beatles Gegenstand von Dokumentation und Reminiszenzen, Kaschemmen wie der Star-Club oder der Kaiserkeller sind veritable Folklore, und wer dabei war, schwört noch heute Stein und Bein, daß die Liverpooler nie besser waren als damals, rabaukig in Lederkluft, Rock’n’Rollvernarrt, prä-Uniform, prä-Moptop, prä-Ringo. Glaubhaft ist das allemal, und es kommen laufend weitere Belege in den Handel: „DIE BEATLES IN HARBURG“ (Christians, 35 Mark) umkreist erklärend und verklärend jene denkwürdigen Tage im Juni 1961, als die Beatles unter der Ägide von Bert Kaempfert ihre ersten Gehversuche in einem Tonstudio machten, zwar nur als Backing Band von Tony Sheridan und mit mäßigem Erfolg, aber immerhin, it happened in Harburg, die Historizität hält jedem Zweifel stand. Kleinmütige Kritiker mögen monieren, daß das Resultat dieser Sessions, „My Bonnie“ und „The Saints“, biederste Beat-Mucke sei, doch kommt es darauf nicht an. Es geht um history in the making, no less. Und um Lokalkolorit: Harburg als Skiffle-Hochburg, Heimspiele der Rascals und der Cops& Robbers, Zeitzeugen legen sich in Zeug. Man wäre, na klar, gerne dabeigewesen. 3,5
Derselbe Ort, dieselbe Zeit: Stuart Sutcliffe war der fünfte Beatle, doch nur nebenbei, nur für wenige Monate. „Get a bass, man“, hatte John Lennon ihm geraten, „because then you could be in die band.“ Doch in erster Linie lebte Stu, hochbegabt und mit den Segnungen eines James Dean-Appeals ausgestattet, für seine Kunst. Als er im April 1962 an den Folgen eines Epilepsie-Anfalls in den Armen seiner Verlobten Astrid Kirchherr starb, war er gerade 21 Jahre alt „STUART: The Life And Art Of Stuart Sutcliffe“ (Genesis, 590 Mark) von seiner Schwester Pauline Sutcliffe und Kay Williams ist eine auf 2000 Exemplare limitierte Werkschau mit Biographie und einem Faksimile-Reprint eines Skizzenbuches aus Sutdiöes Studientagen im Liverpool College Of Art So teuer wie edel. 4,0
Gerry Marsden, der mit den ersten drei Singles seiner Pacemakers einen Sommer lang so erfolgreich war wie die Fab Four und dessen „You’ll Never Walk Alone“ noch immer jedem Gegner heilige Furcht einflößt, der es wagt, dem FC Liverpool an der Anfield Road Paroli zu bieten, schrieb das Vorwort zu „BEATBOOM!“ (Hamlyn, ca. 28 Mark) von Dave Mc-Aleer. Nostalgisch und statistikverliebt werden vor allem die Jahre 1963 bis 1966 entschlüsselt „We play Negro pop music“, erfahren wir von Spencer Davis, und Pete Townshend verlautbart: „When I’m thirty Fm going to kill myself, ‚cos I don’t ever want to get old.“ 3,0
Die drei Jahre zwischen Beat-Boom und Hippie-Boredom gehörten zu den farbenfrohsten und fruchtbarsten Episoden der Pophistorie, nicht zuletzt weil Psychedelia als Stilmittel für einen innovativen Schub und für schillernde Vielfalt sorgten. „THE KNIIGHTS OF FUZZ“ (Borderline, zu beziehen über Outer Limits, PF 440321, 12003 Berlin, 52 Mark) von Timothy Gassen ist ein umfangreiches Kompendium über das Revival jener Sturm- und Drangzeit: „The Garage And Psychedelic Music Explosion, 1980 – 1995“ gibt der Untertitel leicht übertrieben kund, und etliche der hier euphemisierten, obskuren Zeitblasen-Bands verdienen bestimmt nicht, dem Vergessen entrissen zu werden. Doch haben die Neo-Garage-Bewegung und der Paisley Underground der 80er Jahre auch viele formidable Combos auf den Plan gerufen, von den Barracudas bis zu Yard Trauma. Die musikalische Überlebensfähigkeit der meisten hier über den grünen Klee gelobten Garagenbewohner war freilich ebenso beschränkt wie Wortschatz und Katechismus von Autor Gassen: Stringenz über Potenz, Sound über Songs, Fuzz über alles. 3,0