Replays 2 von Bernd Matheja

Man hat ja immer was zu meckern, und das ist auch gut so. 1994 schoß die Polygram England den ersten Bolzen in Sachen DUSTY SPRINGFIELD: Eine prima 4-CD-Box blieb (Entscheidung eines psychisch Auffälligen) nur einige Wochen im Handel, erreichte die hiesige Scholle mit schätzungsweise weit über sechs Exemplaren. Und jetzt: „Something Special“ (Mercury 528 818). Erneut eine Groß-Chance, um bestimmte Aspekte des Werks von Britanniens wohl bester Pop-Chanteuse angemessen zu würdigen. Eine „Best Of war nicht intendiert (unschlagbar weiterhin: „The Silver Collection“ von 1988), sondern – der Titel ist Programm – „etwas Besonderes“. Und das ist es, zumindest auf den ersten Blick, auch geworden. 48 Titel, zusammengestellt aus raren B-Seiten, EP-Tracks, unterbewerteten Album-Highlights, haufenweise Stereo-Premieren und 15 unveröffentlichten Tracks. Ein schaler Beigeschmack bleibt. Um nur einen Punkt zu nennen: Wenn schon hyperrare italienische und französische Versionen, warum dann nicht alle? Und wo sind die deutsch gesungenen Fassungen einiger Hits? Keine Frage: Musikalisch ist dieser Doppeldecker ein Griff in den Goldeimer (man lausche nur mal der Bearbeitung der Byrds-Hymne „Wasn’t Born To Follow“!). Dustys Stimme ist pure magic, jedes Orchester-Arrangement stimmig, die Cover-Versionen sind erfinderisch. Die Ungereimtheiten bei der Zusammenstellung aber gießen Wasser in den Wein. Darum: 4,0 für die Musik, nur 2,0 für das Konzept.

Vielleicht klappt ja Versuch Nr. 3 – wenn es ihn denn geben wird. Am 12. Mai wurde KLAUS DOLDINGER 60 Jahre alt. „Doldinger’s Best“ (ACT 9224) ist ein ebenso kurzweiliger wie hochqualitativer Rutsch durch Stationen des Schaffens dieses variantenreichen Jazzers de luxe. Die 70minütige Kollektion versammelt 14 zum Teil seltene Tracks aus den Jahren 1963 bis 1975, darunter Arbeiten mit The Quartet (Support: Volker Kriegel, Attila Zoller), der NDR-Workshop-Band (feat Johnny Griffin), Motherhood, Passport und Paul Nero’s Blue Sounds. Produktion: Ex-WEA-Boß Siegfried E. Loch, Gast-Stars u. a. Etta James, Philip Catherine, Herbie Mann, Steve Jordan und Pete York. Gelungener Streifzug, stilistisch zwangsläufig nicht aus einem Guß. Glückwunsch nachträglich. 3,5

Auf „Blues Avenue“ (Polygram 535 254) wächst nichts zusammen, weil kaum etwas zusammengehört. Kein Wunder, wenn es schließlich nur darum geht, einen Reklame-Song mit Beiwerk zu garnieren. Schon die Ausgangslage hat was: Blues und Würstchen, was könnte enger miteinander verbunden sein! Und so wurden denn 37 Titel alter und jüngerer Meister rund um „In This World Alone“ von einer Kapelle namens Friedship Bay drapiert. Konzept? Fehlanzeige. Statt dessen eine uninspirierte Aneinanderreihung von Slim Harpo und John Lee Hooker bis Free, Steamhammer und Robert Cray. Die herausgepickten Titel (von „Auswahl“ sprechen wir hier besser nicht) ergeben eine nicht mal schlechte Doppel-CD, aber eine gnadenlos beliebige. Zumindest beim beworbenen Produkt geht es nicht um Grützwurst. 2,0

Beim englischen Island-Label geht die Aufwach-Phase weiter. Endlich liegt jetzt „Somewhere Down The Line“ vor, eine von zwei ehemaligen Originalveröffentlichungen der Band TRAMLINE (Baujahr 1968). Durchweg britischer Blues der gehobenen Mittelklasse, co-inszeniert vom späteren Whitesnake-Gitarristen Micky Moody, der hier auch den Booklet-Text beisteuerte. Spröde, trocken, aber beileibe nicht emotionslos – das war der Stil der semi-populären Crew, für deren Produktion Island-Chef Chris Blackwell damals noch selbst Hand anlegte. Ein sehr ordentlicher Reissue auf Edsel EDCD 469/TIS. 3,0

Dennoch warten wir weiterhin hemmungslos auf ebensolches von Bronco, den V.LP.’s und Spooky-Tooth-Röhre Mike Harrison.

Mitte der 60er Jahre war der große DEL SHANNON ideentechnisch fast ausgepowert. Sein Label-Wechsel zu Liberty bescherte den Fans die LPs „This Is My Bag“ (wie wahr!) und „Total Commitment“. Beide sind jetzt auf einer Einzel-CD gekoppelt: BGOCD 307. Das Verhältnis von Cover-Versionen zu Eigenbauten lautet 17: 1, spricht damit Bände. Die Übernahmen, u. a. von den Stones, Lovin‘ Spoonful und Paul Revere, bleiben sämtlich hart an der Ur-Fassung ihrer Schöpfer; immerhin konnte Shannon sie mit seinem eigenständigen stimmlichen Flair überpudern. 2,5 für zwei bessere Verlegenheitswerke, die das ganze Dilemma um Dels sinkenden Stern offenbaren.

Als Vinyl-Scheibe längst ein gesuchtes Teil: LEE CLAVTON, das 1973er Debüt des Amerikaners mit dem obermarkanten Attraktiv-Genöle. Waren die späteren Clayton-Klassiker „Naked Child“ und „Border Affair“ Proto-Typen für texanisch angehauchten Outlaw-Rock (obendrein maximal verschärft durch den Killer-Gitarristen Philip Donnelly), dampfte hier noch strenge Landluft der Marke Tennessee. Mit Reggie Young, Tim Drummond, Chip Ybung, Jerry Shook ist die Nashville-Creme auf Schicht. Einer der populärsten (und finanziell einträglichsten) Country-Songs in der Geschichte des Genres ist hier aus Komponisten-Mund im Original zu hören: „Ladies Love Outlaws“. 3,0 für die Katalognummer Edsel EDCD 475.

GEORDIE, feat. Brian Johnson (later of AC/DC) waren eine Art Status Quo, die mit einem halben Auge Richtung frühe Motörhead schielten. „A Band Front Geordieland“ (Repertoire REP 4515/TIS) präsentiert die Halb-Heavies aus der Glitterzeit mit 24 Tracks, inklusive der kompletten LP „Save The World“ sowie allen Chart-Erfolgen der Combo: 2,5 Old Gold: das verschollene Solo-Album „1970“ aus demselben Jahr vom begnadeten White-Soul-Kehlchen ALEX CHILTON (RTD CRE-VO 44), das er zwischen der Zeit mit der Boy-Group Box Tops (die Take That der Sechziger!) und der Gründung von Big Star aufnahm. Bluesige Hippie-Mucke. 4,0

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