45 RPM von Wolfgang Doebeling
Ihe artist formerly known as Tricky nennt sich mal eben NEARLY GOD und veröffentlicht ein paar Demos, die an Dichte vermissen lassen, was sie an launiger Experimentierfreude gewinnen. Auf „Poems“ (Fourth & Broadway/Island) firmiert Terry Hall als Sänger und Co-Autor, wie gehabt lakonisch und flach, während die eigentliche Revelation sich auf der Rückseite verbirgt: von Martina Topley Bird mehr psychotisiert als gesungen, ist „Children’s Story“ ultra-monoton, umnachtet und umwabert vom süßlichen Duft der Verwesung. Eine Mumie von einer Single, untot bis zum letzten Knistern. Nearly Beelzebub. 4,0
Auch Peter Perrett, einst Kopf der formidablen Only Ones, kommt mit neuem Moniker daher: PETER PERRETT IN THE ONE, rätselhafterweise. „Woke Up Stikcy“ (Demon) ist eine Slow-Motion-Eloge an die Macht des Traums und an die Ohnmacht unfreiwilliger Ejakulation. „Woke up sticky“, singt er mit dieser sanft raspelnden Stimme, „must have been dreaming of you.“ Ein Liebeslied also, eins von der ehrlichen Art. Ein Rip-offist die Scheibe dennoch, denn die B-Seite hat man sich geschenkt. 3,5
IAN McNABB stand früher den Icicle Works vor und reproduziert ab Solist auf „Don’t Put Your Spell On Me“ (This Way Up) deren Breitwand-Gitarrensound nebst leicht paranoider Lyrik. Rock Music mit Credibility-Bonus, U2 hoch zwei. 3,0
Den letzten Rest von Glaubwürdigkeit verspielt CLEN MATLOCK derzeit mit der Exhumierungs-Tour der Pistols, und auf „My Little Philistine“ (Creation) singt er zu allem Überfluß auch noch wie ein ausrangierter Johnny Rotten. Im Hintergrund schrammelt es agil, aber ohne Ziel. Flogging anodier dead horse. 2,0
Im Windschatten des Erfolges von Ocean Colour Scene könnten KULA SHAKER das nächste große Ding werden. „Grateful When You’re Dead/Jerry Was There“ (Sony) schlägt zunächst eine tragfahige Brücke zwischen den Small Faces und der Spencer Davis Group, bevor das Epos in eine Mantra mutiert und der Geist von Garcia beschworen wird: „I’m telling you man, Jerry was there, you can feel his presence everywhere.“ Far out. 4,0
Eine andere, unschuldigere Art von Tribut zollen die TREMBLlNG BLUE STARS auf „Abba On The Jukebox“ (Shinkansen): dezent und melodiös, blauäugig und infektiös. Haircut 100 meets Van Dyke Parks, ohne Reue. Ergötzlicher Anorak-Pop im Stil von Sarah Records, dem Vorläufer-Label von Shinkansen.
Sooo nice. 4,0
Der Mod-Pop von MANTARAY ist zwar stock-konservativ, glänzt auf „I Don’t Make Promises“ (Dead Dead Good) aber wieder mit tradierten Sound-Werten wie Power Chords, Fuzz und Phaser. Der bessere Song findet sich einmal mehr auf der Rückseite: „Death Of Me“ ist untypisch-verhalten, semi-akustisch und ziemlich unwiderstehlich, 4,0
Auf die Idee, ausgerechnet einem Nirvana-Song ein Rock’n’Roll-Kostüm zu verpassen, muß man erstmal kommen. VINTAGE RIOT sind ein im Rockabilly verwurzeltes Berliner Trio, und ihre Version von Cobains „Come As You Are“ (Twang!) legt immerhin den Verdacht nahe, daß Kurt ein Händchen hatte für Melodien, die unter einer Tonne Lärm jedoch nur schwer auszumachen waren. Die drei anderen Cuts dieser Debüt-EP sind nicht weniger vielversprechend. 3,5
Enttäuschend fällt hingegen die neue 45 der SPACE CADETS aus. Die derzeit erfolgreichste Rockabilly-Formation des Vereinigten Königreichs setzt mit „Awakadeeawakadoo“ (Vinyl Japan) auf den Novelty-Charakter von stupiden Urwaldtrommeln und allerlei kosmischen Klangeffekten. Shakin‘ Stevens, please come back. 2,0