Steinbruch Kurzbesprechungen
Wenn man nur wüßte, was Andy Partridge macht, der mit XTC die 80er Jahre gerettet hat! Und wenn man wüßte, warum David Byrne, der dasselbe mit den Talking Heads tat, heute immerzu auf Parties herumsteht oder komische Theatermusiken schreibt! Die Rettung bringen THE SUGARPLASTIC: Der Himmel hängt voller Spielzeugmandolinen, wenn das amerikanische Trio auf „Sang, The Earth Is Round“ (Geffen/MCA) die Kunst des gediegenen Popsongs exerziert. The Sugarplastic verbinden die Präzision mit der Fülle, das Knappe mit dem Ausschweifenden, den Witz mit der Gescheitheit Eine Pretiose für das Regal mit den obskuren Schätzen. 4,0
Vor einigen Jahren veröffentlichte die finnische Lärmgruppe WALTARI ein Album mit dem Titel „Ein Stückchen Brot“. Das neue Werk „Yeah! Yeah! Die! Die!“ (EMI) reichert den Irrsinn in der Rockmusik an: Die „Death Metal Symphony In Deep C“ ist der lustigste Todes-Trash und Bombast-Kitsch seit Alice Cooper. 1,0
Max Müller ächzt, als lasteten 100 Jahre deutsches Feuilleton auf seinen schmalen Schultern. Und tatsächlich kämpft er mit seiner Band MUTTER auf „Nazionali“ (Die Eigene Gesellschaft/EFA) ein weiteres Mal gegen Schöngeist und andere Formen von Ausflüchten ob ihm das nun bewußt ist oder nicht. „Sag es wie es ist“ heißt ein Titel des Albums, und dies ist auch die Losung, unter der Mutter schuftet. Nach dem unerwartet sanften Werk „Hauptsache Musik“ spielt das Berliner Ensemble auf dem fünften Album wieder radikalen Noise-Blues. Da wird jedes Sprachklischee, jede schnöde Wortspielerei beiseite geschoben. Mutter sind noch immer zu gut für „Aspekte“. 4,0
Die Finesse der Plimsouls hatte TOMMY KEENE nie, auch nicht die beiläufige Eleganz der Shoes, doch war sein Powerpop stets exakt proportioniert und seine Songs selten weniger als eingängig. „Ten Years After“ (Matador/RTD) ist seine beste LP seit „Run Now“, die vor beinahe zehn Jahren von T-Bone Burnett und Don Dixon produziert worden war und nach der Keene sich in Richtung Rock verabschiedet hatte. Nun ist der verlorene Sohn zurückgekehrt in den Schoß seiner Fan-Gemeinde und konzentriert sich wieder auf seine Stärken: Riff-strotzende, spartanisch-prägnante, melodiegetriebene und sorgfältig entworfene Song-Konstruktionen. Welcome back. 4,0
Nicht ganz auf demselben Niveau und keineswegs ausschließlich Powerpop-orienriert sind die EARLY HOURS aus dem australischen Perth, die ihre Debüt-LP „Greatest Hits, VoL 1“ (Twang!) betitelten. Cheeky sods. Die Musik ist straight und soundmäßig angelehnt an Aussie-Vorbilder wie die Sterns. Hier und da wird es heftiger, dann klingeln die Gitarren kurz byrdsianisch, ohne daß jedoch die Songs an Tiefe gewinnen: Girls, Girls, Girls. 3,0
Britpop begann volle vier Jahre vor den Beades – und THE JAGUARS zehren von dieser denkwürdigen und gern vernachlässigten Epoche, als hinge ihr Leben davon ab. Auf „Git It!“ (King Ed/Part) perlen Shadows-Gitarren, der Rhythmus ist domestizierter Rock’n’Roll, und die Cover-Versionen originieren von Cliff Richards, Billy Fury, Marty Wilde und Dave Edmunds, dessen perfektestes Album „Get It“ den halsbrecherischen Titelsong liefert. Fender über alles! 3,5
JONI & THE INNOCENTS aus dem schönen Colorado kurven auf „Winning Team“ (Realtor/Part) gesanglich durchaus gekonnt zwischen satten Girl-Group-Harmonien und dem grazileren Folk-Pop-Timbre von Peter, Paul & Mary. Leider ist der instrumentale Teppich, auf dem die Stimmchen-Wunder ihre putzigen Purzelbäume schlagen, von enervierender Eintönigkeit. Nicht ganz so banal wie bei den New Seekers, aber doch mit verhängnisvollem Hang zur Folk-Muzak. 2,0
Ein Etikett, das auch an „The Island Of The Strong Dom“ (Strange Ways/Lidigo) von ROBIN WILLIAMSON klebt, dessen Harfen-Keltizismus freilich diesseitiger ist als der oft verblasene Mystizismus seines ehemaligen Incredible String Band-Kollegen Mike Heron. An einigen Stellen, etwa in der Boxer-Story „Billy & The Scrapper“ oder dem irisch-idyllischen „If Wishes Were Horses“, dringt gar die vielgerühmte Vitalität des Schotten durch. 2,5
J. J. CALE lehnte sich ganz langsam zurück. Dann war das Album fertig. Es heißt „Guitar Man“ (Virgin) und ist ein Denkmal der begnadeten Entspanntheit. 2,5
Zweierlei kommt bei den Münchnern von HEINRICH BEATS THE DRUM zusammen: der Marschier-Hymnen-Rock der 80er Jahre und das Dudel-Gniedel-Musikantentum von Leuten, die ihre Songs entschlossen „Tear Down These Walls“ und „Running Wild“ nennen. “ The Pursuit Of Happiness“ (Deshima/ Aris) taugt nicht viel, aber die Hanf-Verpackung ist hübsch. 2,0
Aus dem Geiste Frank Zappas hat KLAUS KÖNIG liebevoll die Besprechungen seiner Werke zu Freistil-Klang-Collagen verarbeitet. „Reviews“ (Enja/Koch) ist ein amüsanter Fleckerlteppich mit „komplettem Libretto“. Diese Rezension kann übrigens auch gesungen abgerufen werden (040/22710540). 3,0
IDAHO sind schamlos. Auf „Time Sheets To The Wind“ (Caroline/Virgin) klauen sie beim American Music Club und den Red House Painters, trotzdem bleiben ihre Songs seltsam leer. Musik von Verzweifelten für den Fahrstuhl. 1,5
Der Punk-Pop von SPOON zwirbelt fröhlich, doch die Texte klingen wie aus der Feder eines Psychopathen. „Telophono“ (Matador/RTD), das Debüt-Album der Texaner, oszilliert zwischen dem Humor der Pixies und dem Wahnsinn von PJ Harvey. Nicht neu, aber gut. 3,5
Das Marketing geht natürlich mit den großen Namen (Pearl Jam, Chili Peppers) hausieren, auch wenn die als Hilfskräfte nur peripher eine Rolle spielen und musikalisch in die falsche Richtung deuten. Denn THERMADORE sind eher die feine, kleine Band aus dem Club um die Ecke, sprich: Pub-Rock, Amistyle. Auf „Monkey On Rico“(Atlantic/EastWfest) wildert das Trio um Robbie Allen mit Songwriter-Geschick unangestrengt drauflos. Und scheut sich nicht, die sogenannte Originalität mit einer expliziten Hommage an Elvis Costello ad absurdum zuführen. 3,0