Roots von Jörg Feyer
Ein Album wie „Edge Of Night“ (Dead Reckoning/ Import) konnte MIKE HENDERSON in Nashville nur auf einem kleinen Label wie Dead Reckoning realisieren. Ohne Rücksicht auf Marketing-Schablonen und Radio-Formate stöbert der formidable Gitarrist in einer prall gefüllten Roots-Wundertüte, die polterndem Texas-Boogie und edler Country-Melancholie ebenso einen Platz bietet wie einem satten Honky-Tonk-Sound und akustischem Traditional-Blues. Covers von Pops Staples über Ernest Tubb bis Leiber/Stoller lockern ein Repertoire auf, das Henderson mit der The Band-Hommage „This Property Is Condemned“ oder dem Titelsong auch als profund-profilierten Songwriter ausweist. 4,0
Ein Roots-Album im besten Wortsinn ist auch „Walk“(Crosscut/Edel Contraire), das zweite Album des Seelen-Südstaatlers HANK SHIZZOE alias Thomas Erb. Anders als Henderson ist ihm nicht an einem umfassenden Stil-Kompendium gelegen, sondern an der exakten Ausrichtung seiner knappen Riffs und Licks auf einen meist unterschwellig brodelnden Laidback-Sound, der deshalb noch besser mit Erbs coolen Texten über Wanderlust und Swamp-Frust harmoniert ab beim Debüt „Low Budget“. So läßt man sich das Booklet-Motto „Don’t surf the net, walk the earth“ gern gefallen! Während andere in Memphis oder New Orleans vergeblich nach „Authentizität“ fahnden, nährt sich dieser Hank daheim mehr als redlich. Wo, verdammt, holen diese Schweizer nur diesen Grooveab? 4,0
Auf der anderen Seite der Alpen spielt derweil das bayerische Quintett SHADY MIX „Songs Of The Ranch And The Range“ (Snakehead/Music Contact), die im Original von Cowboy- und Blue Jodel-Größen wie Patsy Montana und Jimmy Rodgers stammen: Traditionspflege der unterhaltsamen Art samt hübsch-informativem Booklet. 3,0
Frauen in Nashville, Pt 237: BOBBIE CRYNER läßt sich als „Girl Of Your Dreams“(MCA/ARIS) gleich von einem „Son Of A Preacher Man“ betören, was sie danach natürlich auszubaden hat. Dementsprechend geht’s hier überwiegend „torchy“ zu. Und es ist zumindest interessant zu hören (wenn auch oft genug far frotn exciting), wie das schöne Rotkehlchen in einer „geschmackvollen“ Songstress-Produktion (Tony Brown/Barry Bekkett) um ihre vokale Aura gurrt, schmeichelt und kämpft. 3,0
Kollegin RHONDA VINCENT
wirkt dagegen in allen Belangen eher hausbacken und ist mit „Trouble Free“ (Giant/ARIS) bemüht, den Rahm von der Sahne des Alison-Krauss-Erfolgs zu schöpfen. Die – genau wie Dolly Parton – mit einer sogenannten „Appearance“ (kaum) auffällt. Ein echtes Duett (passend: Randy Travis) gibt es dann auch noch in diesem Traditional-Reigen ohne Ausund besondere Einfalle. 2,5
Dann lieber LARI WHITE. Die weckt zwar mit dem Wildfang-Image von „Don’t Fence Me In“ (RCA/ARIS) mehr Sehnsüchte, als sie einlösen kann, deutet aber in den Soul/Blues-orientierten Songs (versteckten Bonus-Track beachten!) ihre Vokal-Klasse allemal an. Wenn sie könnte, wie sie (vermutlich) wollte, wäre sie wirklich „Wild At Heart“ (Songtitel). Hätte sie aber David Lynchs Film gesehen, würde sie sich mit solchen Anspielungen zurückhalten. 3,0
Nach über 30 Jahren im Dienste der zwölf Takte läßt sich TAJ MAHAL auf „Phantom Blues“ (Private/ARIS) noch einmal von den Klassikern in die Pflicht nehmen (und dabei von Gapton und Raitt helfen). Wer das unorthodoxe Genre-Verständnis des Altmeisters kennt, wird kaum erstaunt sein, daß hier auch New-Orleans-Abgeordnete CJessie Hill, Dave Bartholomew/ Fats Domino) gewürdigt werden und Mahal zwischendurch gern mal auf den Vocal-Spuren eines Sam Cooke wandelt Wie überhaupt das Feeling eher R & B als bloß „Blue“ ist. Dennoch: Einer der schönsten Tracks bleibt Mahals selbstverfaßter Dobro-Blues „Lovin‘ In My Baby’s Eyes“. 3,5