Kurzbesprechungen :: Steinbruch
Wer auf einem Album die Small Faces und Jimmie Rodgers covert, die Flamin‘ Groovies und Waylon Jennings, der kann kein ganz schlechter Kerl sein. Ein schlechter Sänger ist WEBB WILDER ohnehin nicht. „Tonn & Country“ (Watermelon/Zensor) unterscheidet sich zwar in der Stil-Mixtur kaum von früheren Wilder-Werken, doch ist sein vokaler Zugriff diesmal noch packender, seine Song-Selektion noch prickelnder, seine Band noch einen Zahn schärfer als füglich erwartet. Webb bietet hier keine seiner wunderlichen Wilder-Originale, doch vermißt man sie nicht, weil er selbst „Slow Death“ und „My Mind’s Eye“ auf eine Weise vereinnahmt, als habe man sie einst für ihn geschrieben. Und selbst der Sixties-Punk-Knaller „Talk Talk“ von Sean Bonniwells Music Machine klingt beinahe kontemporär. Wir ziehen denHut.4,0
Neben Wilders Eklektizismus klingen THE CLIQUE ein wenig eindimensional, und sie wären darüber vermutlich nicht einmal böse, solange diese Dimension richtig umrissen wird. „Seif Preservation Society“ (Detour/Outer Limits) heißt das langerwartete Debüt der Briten programmatisch – und in der Tat scheint die Konservierung der alten Modbeat-Prinzipien ihr einziges Anliegen zu sein. Der Verzicht auf stilistische Fortschreibung muß indes kein Manko sein, solange die Pflege des Genres mit dem nötigen Ernst, will sagen: Spaß betrieben wird. Und den vermitteln The Clique, wenn auch die Auswahl des Cover-Materials nicht eben Phantasie verrät. Empfehlenswert für Bewohner der Zeitblase ’66, für alle anderen: 2,5
Deutlich mehr Mut zu musikalischem Risiko zeigen, ihren Namen Lügen strafend, die STUB-BORN ALL-STARS, eine Art Supergroup aus Mitgliedern mehr oder weniger namhafter US-Ska-Bands wie der Toasters, der Insteps und von Skinnerbox NYC. „Open Season“ (Another Planet) ist eine LP, die nicht weniger beweist als: Ska muß nicht groovelastig sein, nicht eintönig. Die All-Stars spielen ihren Blue Beat leicht und luftig, bleiben aber stets auf der Ska-Seite und überschreiten die Credibility-Schwelle zum Pop-Reggea nie, obwohl sie hier und dort ironisch mit melodischen Elementen von der anderen, verbotenen Seite Schabernack treiben. Ska mit Stil und Humor, Disziplin und Verve. Ein seltenes Vergnügen also. 3,5
Die EINSTÜRZENDEN NEU-BAUTEN machen viel Theater, und alles wird veröffentlicht – nicht nur ebenda, wohin es gehört, sondern immer auch (unvergessen: Heiners „Hamletmaschine“!) auf einem Tonträger. Diesmal ist es „Faustmusik“ (RTD) zu Werner Schwabs „Faust:: Mein Brustkorb: Mein Helm“, dem letzten Stück des wunderlichen Krawallisten. Weil die kryptischen Raschel-, Klopf-und Trommel-Piecen (unvergessen auch: F.M. Einheits Stein-Projekt!) natürlich nach Erklärung schreien, liest man die Absichtserklärung: „Wir wollten eine bürokratische Musik spielen, eine Musik, die nur aus Tischen und Büchern besteht Faustmaschinen (Bücherzerreißmaschinen)… und eine Shredderanlage.“ Geglückt. 2,0
Es heißt Abschied nehmen. Abschied von einer der wenigen deutschen Gruppen, die schon Anfang der Siebziger internationale Standards setzten. Mit „Live NinetyFire“ (SPV) lassen FRUMPY noch einmal „How The Gypsy Was Born“ oder den „Backwater Blues“ auferstehen und strafen auch mit den neuen Songs den immer noch negativ besetzten Begriff „Krautrock“ Lügen. Daß obendrein hierzulande niemand so „schwarz“ wie Inga Rumpf singt, muß nicht, aber sollte noch einmal erwähnt werden.3,5 Nee, mit den legendären Pearls Before Swine um Tom Rapp haben PEARLS AT SWINE (Ariola) in keinster Hinsicht etwas gemein. Wo erstere zwischen den Fugs und den Mothers angesiedelt waren, spielen letztere auf ihrem Debüt klassischen Rock in modernem Gewände und dürfen sich dank der Stimme von Robby Baier zwischen Free und den Black Crowes einordnen lassen. Guter Gebrauchsrock
also, 3,0
„Oma ist tot“, schrie Jens Rachut vor einigen Jahren bei Blumen am Arsch der Hölle. Das war kein Witz, sondern eines der gefühlvollsten und zugleich unsentimentalsten Lieder über den Tod. Jetzt arbeitet Deutschlands bester Punk-Sänger, auch durch seine Aktivitäten bei Das Moor und Angeschissen bekannt, für DACKELBLUT. Auf „Schützen & Fördern“ (Schiffen/Indigo) geht es wieder einmal allen, die es verdient haben, an den Kragen. Kurios und gekonnt: die Cover-Version „Nimm deine traurigen Lieder“ vom Entertainer Funny Van
Danncn.4,0
Der boshafte Zeichner MAN-FRED DEIX hält die Beach Boys für Götter. So hat er sich einen Wunsch erfüllt und für sein Hommage-Album „Afusifc aus Ameriga“ (Arcade) nur gemütliche Gute-Laune-Fassungen der frühen Gassenhauer „Surfin‘ USA“ („Hollodaro Juchhee“), „California Girls“ („Fesche Mädels“) und „Barbara Ann“ (rätselhafterweise zu „Dagobert“ mutiert) aufgenommen. Deixsches Gift verströmt allein „Little Deuce Coupe“ als Schmäh-Lied „Dicker Bub“. Wird sich der Katzenliebhaber und Kettenraucher demnächst ,JPet Sounds“ vornehmen? 2,5 Irgendwo zwischen Meditationsmusik und Ethno-Pop liegt das Arbeitsfeld, das sich JAHWOBBLE erschlossen hat. Auch auf ,Jieaven &Eart A“(Mercury) führt der Bassist wieder zu sanften Dub-Rhythmen unterschiedlichste Kulturen zusammen. Während Natasha Atlas‘ Gesang einnimmt, enttäuscht die Arbeit von Pharoah Sanders. Das Saxophonspiel der Legende, einst der freieste unter New Yorks Freigeistern, klingt wie die Warteschleife in der Telefonzentrale der Scientologen. 2,0