Ministry – Filth Pig
Aua… nein, nicht die Sirenen-Solo-Gitarre! Und: oh mein Gott… bitte nicht noch mal den Magenschmerzen-Baß! Ministry hören, heißt Schmerzen haben. Einen sensiblen Hörer kann diese Platte ganz schön aus der Bahn werfen. Hinterher sammelt man sich, zählt bis zehn, bewegt die Finger zur Probe und guckt, ob noch alle Ohren dran sind. Al Jourgensen ist ein Fürst der Finsternis. Gegen ihn ist Robert Smith ein rosa Kaugummi. Gothic Rock hat Heavy Metal geheiratet, und beide haben einen Sohn gezeugt, der eine seit Jahren wachsende Fan-Gemeinde mit Nachrichten aus der Unterwelt versorgt. Sie tauften ihn Ministry.
Von Bands wie den Doors wurden einst die Türen zum Unbewußten geöffnet. Seitdem hat es immer wieder Bands gegeben, die sich nur dort zu Hause fühlen. Sie gingen von Goyas Weisheit aus, daß der Schlaf der Vernunft Ungeheuer gebiert – wobei ich nicht hoffe, daß es in meinem Unbewußten auch nur annähernd so zugeht wie auf einer Ministry-Platte. Immer neue Generationen rannten die Tür ein, die doch sperrangelweit offen stand – und spätestens mit den Grufties der 80er Jahre wurde der Dämon-Rock zum Genre. New Wave war nichts anderes als eine Geisterbahn. Und der Schlaf der Vernunft gebar keine Ungeheuer mehr, sondern höchstens eine neue Art, sich schwarz anzuziehen.
Ministry gehören sicher zum Nervtötendsten, was die Musik der 90er Jahre hervorgebracht hat. Dunkle Romantik als Stil, Todesgeilheit als Pose. Auf Tourneen soll Jourgensen sich angeblich Tierknochen an den Mikrophonständer montieren. Viel abgeschmackter kann man die Klischees des Makabren nicht zelebrieren. Freddy Krüger würde sich schämen. Wie beliebig die Ware im kleinen Horrorladen produziert wird, zeigt die Neubearbeitung von Bob Dylans „Lay Lady Lay“: Natürlich kann man irgendeine Ballade nehmen und die Wort herausbrüllen, statt sie zu singen. Aber der Witz erlischt nach zehn Sekunden. Der Rest ist Schmerz.